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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Baumgrenze; er war hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl, daß es eine besondere Gnade war, dieses schwer zu findende weiße Geschöpf überhaupt erblickt zu haben, und dem wehen Gefühl eines Verlustes.
    »Sie ist in den Wald zurückgegangen«, sagte Khira endlich. »Wir haben sie vertrieben.«
    »Wie weit ist es zum Wald?« Wenn sie ihn vor Tagesanbruch erreichen könnten, wenn er die Weißmähne bei Mondschein wiedersehen könnte, verzaubert ...
    »Wir würden die Bäume nicht vor Mittag erreichen, wenn wir keine Rotmähnen fänden, um auf ihnen zu reiten. Und wenn wir länger als einen Tag oder zwei bleiben, würden wir die Vereinigung verpassen.«
    Das Bonding: das Versammeln der Herden der Ebene, um die Stuten für das kommende Jahr auszuwählen und die Tiere zu zählen. Dunkeljunge fühlte die Frage zurückkehren, die er stumm genährt hatte, als sie nach dem Mittsommerfest ihren Weg zurück zur Ebene genommen hatten, und fühlte sich sofort unbehaglich,
Kadura …
Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt für diese Frage, und er schob sie beiseite. »Wir werden zum Lager zurückkehren müssen«, stimmte er widerwillig zu.
    Als sie sich auf den Weg zurück durch den Hain machten, begegneten sie dem Whispey wieder. Er zischte und brummte und gellte schließlich wütend, als sie nicht anhielten. In stillem übereinkommen pirschten sie in dieser Nacht nicht mehr, sondern wanderten über die Ebene zurück. Die alte Stute unterrichtete noch immer unter den Berggipfeln, und die Monde ließen noch immer die Ebene silbern schimmern. Aber ein weißer Schatten stand zwischen dem Jungen und seiner Umgebung. Er konnte die scheue Grazie der Weißmähne nicht vergessen.
    Jedesmal, wenn sie an einem Wächterinnenlager vorbeikamen, stellte Dunkeljunge fest, daß sich mehr Rotmähnen dort befanden, als er früher gesehen hatte. Viele waren staubig vom langen Weg, und sie bewegten sich unruhig zwischen den anderen ruhigeren Tieren; Hengste stießen Stuten an, Stuten rieben sich gegen Hengste in stummer Frage.
    »Die Herden sammeln sich«, erklärte Khira mit gerunzelter Stirn; sie war abgelenkt.
    Kadura …
Morgen mußte er mit Kadura reden.
    Aber Kadura hatte das Kefri bereits verlassen, bevor sie am nächsten Morgen aufwachten. Und als er sich angezogen und gegessen hatte und ging, um nach ihr zu fragen, konnte ihm niemand Auskunft geben. Er suchte mit zunehmender Unruhe. Die Herden waren versammelt. Überall standen staubige, müde Tiere. Er musterte sie heimlich. Sie gingen auf schwerfällig trappelnden Hufen; ihre Felle waren dicht und schimmerten mattgrau. Ihre Mähnen hingen wirr und rostrot über die stämmigen Schultern. Sie hoben kaum die Köpfe, als er vorüberging.
    Er hatte nur wenige Eindrücke von der Weißmähne zwischen den Bäumen eingefangen; aber er konnte sich vorstellen, wie es aussähe, wenn sie sich scheu und bleich unter diesen schwerfälligen Tieren bewegte; wie sie den langen Hals neigen würde, um zu grasen, wie sie innehalten, den Kopf heben, herumblicken würde in angespannter Wachsamkeit, die Ohren aufgestellt. Wie konnte jemand nur vermuten, die Weißmähnen seien mit den Rotmähnen verwandt ...
    Spät an diesem Abend war Kadura noch nicht zum Kefri zurückgekehrt. Nur Khira war dort; sie rührte in einem Topf mit Suppe und schöpfte eine Portion für ihn ab. »Heute nacht ist die Nacht der Schleier auf dem Unterrichtsplatz. Willst du mitkommen?«
    »Schleier?« Es gab so viele Bräuche, über die er noch nichts gehört hatte.
    »Die ältesten Wächterinnen, diejenigen, die glauben, daß sie nicht mehr von der Vereinigung zurückkehren werden, tragen heute nacht Schleier und schließen sich dem Unterricht an.«
    Dunkeljunge schauderte. Es würde ihm eine Frage beantworten, wenn er zum Unterrichtsplatz ginge und Kadura säße verschleiert neben dem Teich. Aber auf diese Weise zu einer Antwort zu kommen – Kaduras beschattetes Gesicht zu sehen, als läge bereits der Tod darauf ...
    »Ich bleibe hier«, sagte er knapp.
    Er hielt Wache im Kefri, als Khira allein zum Unterricht ging. Trotz seiner zunehmenden Unruhe machte ihn die Wärme des Kefri müde und schläfrig. Er legte sich hin, und ohne daß er es vorgehabt hätte, schlief er ein.
    Viel später wachte er auf. Das Feuer war heruntergebrannt, das Holz zu Asche geworden; Khira und Kadura waren zurückgekommen und zu Bett gegangen. Dunkeljunge setzte sich auf, betrachtete Kaduras im Schatten liegendes Gesicht und fühlte den nagenden Schmerz der

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