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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Wächterin reichten. Ihre stämmigen Leiber waren dicht mit struppigem, grauem Haar bewachsen, und ihre kastanienbraunen Mähnen und Schwänze fegten den Boden. Aufgeregt entdeckte Khira, daß die Stute mit der dunklen Stirnlocke an diesem Morgen die Gruppe nicht begleitete. Khira wandte sich vom Fenster ab, jetzt bereit, sich anzuziehen, dann rannte sie direkt zu den Pferchen. Seit die Gruppen gestern abend von den Feldern zurückgekehrt waren, hatte die Stute zuweilen Haare aus ihrem Fell gerupft und sie zu einem federnden Nest festgestampft. Da müßte sie jetzt liegen, nur in ihrem weichen, silbernen Haarkleid, und ein neugeborenes Füllen verwöhnen, ein samtenes Geschöpf mit den Ansätzen einer Mähne und fragenden Augen.
    War es ihre eigene, entfernte Abstammung von den Wächterinnen, die sie drängte, das neue Fohlen zu besuchen? Khira seufzte und verdrängte die Regung. Yvala würde verärgert sein, wenn die Stute gestört würde, sogar wenn es durch die Tochter des Palastes geschähe. Und es gab noch andere zwingende Gründe, nicht zu gehen. Khiras Herz preßte sich zusammen, und der Morgen wurde kühl. Heute ging Alzaja zum Berg.
    Heute
    Khira fröstelte. Alzaja hatte die Zeiten festgelegt und diesen Tag vor Monaten kurz nach Dunkelmorgen bestimmt. Khira hatte ihre Schwester noch deutlich in Erinnerung; sie hatte sich an jenem Nachmittag auf Kissen auf dem Boden des Thronsaales ausgestreckt; die Schatten des Winters waren um sie versammelt; in einer Hand hielt sie ihre Lebensrolle, zu einem dichten Zylinder aufgewickelt. Der Thron auf dem Podest erhob sich über ihr wie ein bösartiges Raubtier, und auf ihrem beschatteten Gesicht lag ein Ausdruck von Unwiderruflichkeit, von Entschlossenheit.
    »Ich habe meinen Tag gewählt«, sagte Alzaja, als Khira zögernd über den polierten Fußboden schritt. »Der sechste Tag von Nindras erstem Frühlingshalbmond, da Nindra mein Gestirn ist, und ich die sechste Tochter des Palastes bin. Ich werde wahrscheinlich fünf Hände von Tagen haben, um nach dem Frühlingstauen zu üben. Mehr, als wenn ich vor der Schmelze üben würde.« Die Festigkeit ihrer Worte stand im Gegensatz zum schwachen Klang ihrer
    Stimme. In der kalten Luft schien etwas zu fließen, etwas Trennendes, von außerhalb, ein unpersönliches Werkzeug der Aussage.
    Selbst damals, als Alzajas gewählter Tag mehr als eine Jahreszeit weit entfernt gewesen war, hatte Khira gefühlt, wie sich ihre Muskeln in Vorahnung versteiften – und ein zaghaftes Gefühl, daß Alzaja sie verlassen würde, war über sie gekommen.
    Alzaja war leicht gebaut, mit ihren dreiundzwanzig Jahren kaum größer als Khira mit elf, aber sie war Khiras Beraterin und Aufseherin gewesen, während vieler Jahre. Tiahna, ihre Mutter, war eine undeutliche Gestalt. Manchmal rief sie Khira zum Thron, damit sie Rechenschaft über ihre Zeit ablegte. Manchmal gab sie ihr Ratschläge. Aber sie waren nie miteinander allein, weil Tiahna den Paarungsstein an ihrem Hals streichelte und stumm mit ihrer Steingefährtin Rahela sprach, selbst wenn sie mit Khira redete.
    Sehr oft war Tiahna von den Pflichten des Thrones abgelenkt. Und mit dem Herannahen der Kälte, wenn sich die Leute der Steinhallen zum Winterschlaf zurückzogen, wanderte Tiahna zu den Bergspitzen empor, um das schwache Licht der Wintersonne für den Frühling zu sammeln, und Alzaja und Khira blieben wieder ganz allein im Palast zurück.
    Allein – doch zusammen. Alzaja hatte Khira die ersten Worte beigebracht, ihr bei den ersten Schritten geholfen, hatte sie Renn- und Hüpfspiele gelehrt, als sie klein war; Sing- und Zählspiele, als sie älter war. Manchmal brachte Alzaja Khira in die Steinhallen, damit sie mit den wilden weißhaarigen Kindern spielte, die dort lebten. Jedesmal kehrte Khira erleichtert in den Palast zurück. Sie war ein Palastkind, an dessen große, mit Stengeln bewachsene Zimmer und die spärlich bevölkerten Flure gewöhnt. Weder der Betrieb in den Steinhallen noch die Gesellschaft so vieler Kinder, die einander ähnlich waren, aber so verschieden von ihr, sagten ihr zu.
    Solange sie Alzaja hatte, war sie nie einsam. Sie glichen einander; beide waren zierlich, mit kastanienbraunen Haaren, die gerade bis über ihre Schultern fielen, und mit Augen wie das Gold des Herbstes. Manchmal beobachtete Khira Alzaja heimlich, musterte die feinen Knochen der Handgelenke, die zarte Beschaffenheit des Fleisches ihrer Unterarme, und stellte sich vor, sie könne hinter diesem

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