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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Angehörigen selten jenseits der Geysirströme zu sehen wären.
    »Meine Urgroßmutter lebt bei den Wächterinnen im Ruhestand. Meine Großmutter auch«, erklärte er. »Ich verbringe jedes Jahr einen Teil des Sommers in ihren Lagern.«
Ni
- fragte sich, wenn das Mädchen bei den Fischern gelebt hatte, ob ihr Vater sich auch dort aufhielt. Sein Vater würde es gerne wissen wollen, wenn es so war. Sein Vater würde gerne erfahren, daß Jhaviir noch lebte, würde gerne wissen, was in den Jahren, seit er aus dem Marlathtal fortgeritten war, geschehen war, wohin er gegangen war, was er gesellen hatte.
    Bevor er sich weitere Fragen ausdenken konnte, kam Waana über den schmalen Wasserlauf auf ihn zu. Allein gelassen, tat das Mädchen einen kraftlosen Schritt nach vorn und blieb stehen, es blickte finster vor Schmerz und Zweifel.
    »Du hast eine Verletzung am Bein«, stellte Danior fest und vergaß alles andere. Deshalb, so nahm er an, hatte die Stute Wache neben ihr gehalten. »Waana muß auf dein Erwachen gewartet haben, um dich zu Tehlas Lager zu führen. Zur Behandlung.«
    »Waana?« Für einen Moment zeigte sich, wie verwirrt sie hinter der Maske wachsamer Gelassenheit war.
    Die Stute schüttelte sich und gestattete Danior, ihr das fleckige Nackenfell zu kraulen. »Sie ist die älteste Stute in diese Herde. Sie unterrichtet die Tiere, die hier grasen. Du bist vielleicht an ihrem Teich vorbeigekommen. Sie ...« Er brach ab, sich daran erinnernd, was er gerade, vor wenigen Stunden, neben Waanas Unterrichtsteich gefunden hatte. Er schaute unwillkürlich auf die Wunden im Gesicht des Mädchens. »Die Kratzer auf deinen Wangen ...«
    »Ich bin gestürzt«, sagte sie schnell, ohne seinem Blick zu begegnen. »Vorletzte Nacht. Ich suchte nach Essen und Wasser. Ich bin ein schroffes Vorgebirge hinabgeklettert und habe versucht, die Ebene zu erreichen, um dort etwas zu Essen zu finden. Und dabei bin ich abgerutscht. Sie – die Stute – kam am nächsten Tag, und ich dachte mir, wenn ich ihr folgte, würde sie mich dahin bringen, wo es Wasser gibt. Und etwas Eßbares.«
    Sie hatte seit gestern nichts mehr gegessen? Wenigsten wußte er, wie man so etwas behandelte. Schnell stieg er in den Wasserlauf. »Ich habe reichlich zu Essen dabei. Und ich werde dir zeigen, wie du noch mehr Eßbares finden kannst. Wenn die Ebene ihr so wenig vertraut war, daß sie sich mit leerem Magen schlafen gelegt hatte, konnte er ihr einige beibringen. Und während er sie lehrte, konnte er vielleicht hinter ihre Vorsicht, ihre Unsicherheit gelangen, und hinter seine eigene Verwirrung. Vielleicht konnte er lernen, man ungezwungener mit anderen umging.
    Das Mädchen trat einen Schritt zurück, um Abstand zwischen Danior und sich herzustellen, aber als er den Pack öffnete und Käse und Brot herausnahm und besorgt zu ihr hochschaute, gesellte sie sich zu ihm und akzeptierte ohne Einwand eine Portion. Während sie noch aß, grub er neben dem Wasserlauf Honigknollen aus.
    »Ich werde dir auch zeigen, wie du Stringgras findest«, versprach er. »Und Poppers, wenn es die richtige Jahreszeit dafür ist.« Er setzte sich neben sie, schälte die Knollen und war zufrieden, die Verrichtungen eines kleinen Mahles mit ihr teilen zu können. Die Leute in den Hallen sagten, daß man vieles miteinander gemeinsam hatte, wenn man sein Essen miteinander teilte. Und es war offensichtlich, daß sie einiges gemeinsam hatten. Wenn er nur begreifen könnte, was es hieß, jemandem so ähnlich zu sein, obwohl er vorher nie jemanden getroffen hatte, der ihm so ähnlich gewesen wäre.
    Auch sie war sich deutlich der Ähnlichkeit bewußt. Obwohl sie so hungrig war, schaute das Mädchen manchmal heimlich zu ihm hin, während sie aßen. Er wußte das, weil er sie auf die gleiche Weise anschaute, fasziniert von der vertrauten Form ihrer Finger, von der Art, wie sie ihre Hände benutzte, und von der Beschaffenheit ihrer Haut. Ihm war, als hätte er sich in einer anderen Person wiedergefunden, als könne er ihre Gedanken erraten, ohne sie zu fragen. Er erkannte an der Anspannung ihrer Gesichtszüge und den steilen Falten zwischen ihren Augen, daß sie nicht verstand, weshalb er ihr so sehr glich, und daß sie durch diese Ähnlichkeit beunruhigt war. Aber sie stellte ihm keine Fragen, obwohl er nicht sagen konnte, ob es deshalb geschah, weil sie annahm, es wäre unhöflich, oder weil ihr ebenso wie ihm nicht klar war, wie sie ihre Fragen in Worte fassen sollte. Möglicherweise gehörte

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