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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Täler. Sondern in einer Sprache, die sein Vater auf einer anderen Welt gelernt hatte.
    Kadura.
Sein Geist war entsetzlich aufgewühlt.
Kadura würde wissen, was man ihr erzählen konnte.
Er konnte es ganz bestimmt nicht – und die unausgesprochenen Fragen in ihren Augen vergrößerten seine Verwirrung noch. Er stand auf.
    »Ich werde dich zu Tehlas Lager bringen«, sagte er rasch entschlossen. »Es ist nicht weit von hier. Sie wird dein Knie behandeln, und wir können die Nacht über dort bleiben.« Und morgen könnten sie dann weiter zu Kaduras Lager gehen. Kadura würde wissen, wie man ihre Fragen beantwortete. Kadura könnte aus dem, was sie im Gesicht des Mädchens las, abschätzen, wieviel Wahrheit sie vertragen konnte und welche Menge davon sie zu sehr beunruhigen würde. Und Kadura könnte ihm besser die Art ihrer Verwandtschaft begreifen helfen, was es bedeutete, daß sie einander so ähnlich und doch so fremd waren, daß sie beide Paarungssteine besaßen.
    Er erwartete fast, daß das Mädchen seinen Vorschlag ablehnte. Sie musterte ihn, die Stirn in Falten gelegt, biß sich auf die Lippen, schaute übers Wasser auf die grasenden Rotmähnen und stand auf. Sie durchquerten den Wasserlauf, und Waana schloß sich ihnen an. Zuerst sträubte sich Keva, die jüngere Stute zu reiten, die ebenfalls beschlossen hatte, sich ihnen anzuschließen. Aber nach einer Weile wurden ihre Lippen weiß vor Schmerz, und sie ließ zu, daß Danior ihr auf den Rücken der jungen Stute half.
    An diesem Tag herrschte Aufregung unter den Herden, aber Danior war zu geistesabwesend, um sie zu bemerken. Er war sich all der Fragen bewußt, die Keva nicht stellte, war sich seiner Erleichterung darüber bewußt, daß sie ihre Fragen zurückhielt. Er war sich dessen bewußt, daß ihre Anspannung nachließ, als sie an den ersten Wächterinnen vorbeikamen, die sich zwischen den Herden aufhielten. Er sah, daß sie sich versteifte, als eine Gruppe von Wächterinnentöchtern lachend durch das Gras lief, dann stehenblieb und sie anstarrte. Er war sich bewußt, daß das Lager selbst, als sie es gegen Mitte des Nachmittags erreichten, in ihren Augen fremdartig aussehen mußte: eine Ansammlung von Hütten aus gepreßtem Schlamm, mit Gras bewachsen, und engen Gäßchen, die sich zwischen ihnen wanden.
    Wächterinnentöchter liefen ihnen voraus, sie lachten seltsam schrill. Und als sie Tehlas Kefri erreichten, hatte sie bereits von ihrer Ankunft vernommen und wartete an der Tür. Sie stand dort, größer als alle anderen, das nachlässig gestrählte Haar hing ihr bis auf die Schultern hinunter. Ihr Gesicht war so zerknittert und verwittert, daß sie so alt wie das Land selbst zu sein schien, aber ihre Brauen waren noch immer dunkel.
    Sie drückte Daniors Hände, ihre Stimme klang rauh, als ob sie sie wenig benutzte. »Wir dachten, daß du in diesem Jahr nicht in die Ebene kommen würdest, Danior Terlath.«
    Sie dachten, er würde nicht hierher kommen, weil er die zweite Volljährigkeit erreicht hatte und kein Kind mehr war, das den Sommer in der Ebene verbrachte. Er fragte sich flüchtig, was er nach der Meinung der Wächterinnen statt dessen tun sollte. Er fragte sich, welche Zukunft ihn in ihren Augen erwartete. Aber jetzt war nicht die Zeit dafür. Er drehte sich um, als Keva vom Rücken der jungen Stute glitt und sich steif gegen Waana lehnte.
    »Ich bin gekommen, um Kadura zu besuchen. Das ist Keva. Ich sagte ihr, du würdest ihr Bein behandeln. Sie ist gestürzt.« Er zögerte, blickte auf Tehla und fragte sich kurz, wieviel er ihr sagen konnte. Als sie nicht antwortete, stieß er hervor: »Sie versucht, Jhaviir zu finden.«
    Keva hob ruckartig den Kopf und starrte Danior an, dann wandte sie sich um, um der erschöpften Kraft in Tehlas Blick zu begegnen, ihre Stimme klang ungläubig. »Ihr kennt meinen Vater?«
    Tehla verschränkte ihre mageren, braunen Arme vor der Brust. Die Zeit hatte in ihren Zügen so tiefe Spuren eingegraben, daß ihr Gesichtsausdruck unlesbar war. Aber Danior erkannte am vorsichtigen Ton in ihrer Stimme, daß sie sein Schwanken bemerkt hatte.
    »Viele von uns in der Ebene kannten ihn«, sagte sie behutsam. »Er hat seinen ersten Sommer hier verbracht, und nachdem er die Weißmähne angenommen hatte, ist er manchmal herumgeritten. Laß mich dein Bein untersuchen, dann werden wir reden.«
    Aber Keva rührte sich nicht von der Stelle. Ihre Lippen hatten alle Farbe verloren, und ihre Finger verkrampften sich in Waanas Mähne.

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