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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Spießes zu schließen. Sie reagierten nicht. Sie versuchte, die Knie zu beugen, sie in Angriffsstellung zu bringen. Di Gelenke blieben steif.
    Und dann begann das jüngste Fohlen unter der Anspannung der andauernden Angst krampfhaft zu würgen und zu zittern. Keva sah, wie sich die Muskeln des Minx anspannten, als er sich umdrehte. Diesmal war ihre Reaktion ein Resultat des bewußten Willens. Ihre Muskeln wölbten sich, sie durchbrach die Fesseln, die sie lähmten, schrie auf und rannte durchs Wasser. Der Minx wirbelte herum, seine Locken tanzten, seine bernsteinfarbenen Augen glitzerten. Er ließ ein gieriges, scharfzähniges Freudengrinsen aufblitze und schnappte nach ihrer Kehle.
    Ein Instinkt, von dessen Vorhandensein sie nichts geahnt hatte, lenkte Kevas Spieß. Ihr Stoß traf das Tier im Sprung und drang in den Brustkorb. Die ganze Wucht des Sprunges trieb die grobe Spitze durch die ledrige, widerstandsfähige Haut.
    Einen Augenblick lang nahm Keva an, daß der Minx nicht fallen würde, nahm an, er würde sie trotz des Spießes, der in seiner Brust steckte, mit seinen erhobenen Klauen zerreißen. Aber dann schwankte er, kippte ihr entgegen und stieß einen tiefen, wütenden Schrei aus. Seine Knie krümmten sich, er streckte alle viere von sich und preßte die dunkle Schnauze in den Schlamm.
    Keva beobachtete mit trockener Kehle, wie das Tier starb, wie es sich wütend wand und nach dem Spieß krallte. Noch Minuten nach dem Tod des Raubtieres war sie wie betäubt. Ihr erster zusammenhängender Gedanke war, daß sie ihren Spieß wiederhaben mußte. Aber ihre Hände zitterten, die Übelkeit, die sich in der leeren Magenhöhle eingenistet hatte, ließ nicht zu, daß sie sich dem toten Minx näherte.
    Wenn er nicht auf sein Spiel bestanden hätte, so erkannte sie, wäre er jetzt gesättigt. Gesättigt durch ein Fohlen oder eine schwache, alte Rotmähne.
    Wenn er nicht darauf bestanden hätte, hätte er sich mit ihr in der Nacht zuvor sättigen können.
    Die versammelten Rotmähnen atmeten auf und murmelten untereinander, die Fohlen stießen nervöse Schreie aus.
    Die ältliche Stute platschte schnaubend durchs Wasser und beschnüffelte Keva. Keva wandte sich ihr steif entgegen. Die milchigtrüben Augen betrachteten sie unverwandt, als. wollte die Stute sie einschätzen. Dann schnaubte die Stute erneut und bahnte sich ihren Weg durch die Herde.
    Die gesamte Herde folgte ihr. Sie verließen den Teich und gingen mit gesenkten Köpfen stromaufwärts. Das Geräusch ihrer Füße war laut auf dem taufeuchten Gras. Keva stütz sich auf die ältliche Stute und wurde sich wieder des Schmerzes in dem verletzten Knie bewußt, des Brennens ihrer verletzten Wangen. Und sie bemerkte ein hartes, steinartiges Gefühl in der Brust, als hätte das ganze Adrenalin, das; zuvor in ihrem Blut gekreist war, angefangen, sich dort zu kristallisieren. Sie bekam nur schwer Luft an diesem Hindernis vorbei, während sie begann, sich über die Tat zu wundern. Sie hatte ein lebendiges Geschöpf getötet, eines, das wie sie auf zwei Füßen ging.
    Aber wenn sie es nicht getan hätte, würde sie jetzt auf ein Blutbad schauen.
    Die Herde gruppierte sich stromaufwärts in einiger Entfernung neu. Die Tiere reihten sich neben dem schmalen Wasserlauf auf, und die Stute platschte durchs Wasser, um ihnen von der anderen Seite entgegenzuschauen. Dieses Mal drang sie nicht darauf, daß Keva sie begleitete.
    Keva stand eine Zeitlang verloren herum, dann ließ sie sich langsam ins Gras sinken. Später erinnerte sie sich nicht einmal mehr daran, sich in ihr Bettzeug gewickelt zu haben, ehe sie in einen tiefen Schlaf sank.
    Sie träumte von Dingen, von denen sie oft träumte: Feuer um eine Frau, die in seinem Zentrum stand; ein Gesicht, das sie nicht zu schauen begehrte. Aber heute nacht bewahrte sie ein gewisses Wachbewußtsein, während sie träumte. Selbst als die Bilder sich bewegten und veränderten, spürte sie den Druck ihres Körpers gegen den Erdboden, auf dem er ruhte. Sie fühlte den mißtönenden Rhythmus ihres Herzens. Fühlte den Atem, der in ihrer Kehle jagte und seufzte.
    Fühlte sich anders. Fühlte sich verändert.
    Sie wollte sich nicht verändern. Sie versuchte, das Gefühl von sich fort zu schieben, aber ein unterschwelliges Wissen verblieb, prickelte in den geheimen Winkeln ihres Geistes. Erschöpft und unruhig schlief sie, bis die Stute ihren warmen Atem gegen ihre Wange blies. Stöhnend zog sich Keva die Decke übers Gesicht, aber der

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