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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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mir eingeschüttet hast. Und du hast mir auch nicht gesagt, wie er wirken würde.«
    War sie deshalb so wütend? Weil sie nicht damit gerechnet hatte, einzuschlafen? »Ich dachte, du wüßtest es. Tehla wollte, daß du dich ausruhst. Du warst durcheinander. Es hat dich durcheinandergebracht,. über deine Mutter zu sprechen.« Er runzelte unsicher die Stirn. »Ich hatte angenommen, du wüßtest, daß sie tot war, bevor Tehla es dir gesagt hat.« Das klang brutal, aber jetzt waren Umschreibungen nicht angebracht. Nicht, wenn sie ihn mit dieser kalten Wut anstarrte.
    Ihr Augen wurden zu Schlitzen. »Ich ahnte es. Und du wußtest, daß meine Mutter tot war. Und du wußtest, daß sie eine Barohna war.«
    Er ging langsam durch den Raum, ihr Blick folgte ihm. War es das, was sie gestört hatte? Zu erfahren, daß ihre Mutter eine Barohna gewesen war? Oder war sie wütend darüber, daß er es gewußt und nichts gesagt hatte? Aber wie konnte er ahnen, was sie wußte und was nicht? Er konnte die Quelle ihres Zornes nicht entdecken. »Ich – ja, ich besuchte ihr Tal, bevor ich hierherkam. Ich ging ...« Er betrat gefährliches Terrain und beschloß, den Paarungsstein nicht zu erwähnen. Nicht jetzt. Nicht, bis er es besser verstand. Er wandte die Augen ab; es überraschte ihn, daß jemand, der ihm selbst so ähnlich war, ihm so großes Unbehagen einflößen konnte. Es war eine erstaunliche Art von Entfremdung, der zu begegnen er nicht vorbereitet war.
    »Du kanntest auch den Namen meines Vaters«, sagte sie mit unverminderter Wut in der Stimme. »Ich hatte ihn nie zuvor gehört, bis du ihn heute nachmittag in den Mund nahmst.«
    »Ich – sein Name ist wohlbekannt. Viele Leute kennen ihn.«
    »Aber ich weiß nichts über ihn. Ich weiß nicht, wo er geboren wurde, wo er aufwuchs. Ich kenne seine Familie nicht. Ich weiß nicht, ob er eine Barohna war, ob ...«
    Er blickte rasch auf, stirnrunzelnd. »Männer werden niemals Barohnas.« Wußte sie das nicht?
    »Dann war er keine Barohna«, korrigierte sie sich schnell. »Aber wenn er in den Bergen lebte, muß er mit ihnen verwandt gewesen sein. Weil er eine dunkle Haut hatte, und in den Bergen leben nur zwei Arten von Menschen: Leibeigene und Barohnas. Oki hat es mir erzählt. Und Par. Die Leibeigenen sind hellhäutig. Sie ...«
    Danior versteifte sich, gekränkt darüber, daß sie das alte Wort benutzte, das abwertende Wort. »Niemand hält jetzt noch Leibeigene. Nicht mehr seit der siebzehnten Ratsperiode. Die Menschen, die in den Hallen wohnen, werden Freie Arbeiter genannt. Sie besitzen Gilden und Genossenschaften. Sie ...«
    »Aber deine Leute behandeln sie wie Leibeigene, selbst wenn du sie nicht so nennst. Sie machen die Arbeit, und du
    die Barohnas verbrennen sie, wenn sie sich weigern. Sie ...«
    »Das ist nicht wahr!« protestierte Danior gekränkt. Wo hatte sie nur diese Dinge gehört? Von den Fischern? Lebten sie deshalb so wie Einsiedler? Weil sie sich untereinander noch immer die alten Geschichten erzählten? »Niemand hat seit den unruhigen Zeiten etwas Derartiges getan. Es wird nicht einmal mehr darüber gesprochen. Du kannst nicht einmal mehr Schriftrollen aus dieser Zeit in den öffentlichen Regalen finden. Wenn du sie lesen möchtest, mußt du den Schriftrollen-Verwalter darum bitten, sie aus dem Magazin zu holen. Und meine Mutter ...«
    »Deine Mutter ist eine Barohna.«
    »Ja.«
Aber wie konnte er ihr klar machen, was das bedeutete, wenn sie die falschen Dinge gehört hatte? Wie konnte er es bewerkstelligen, daß sie die Selbstdisziplin verstand, die eine Barohna besitzen mußte, die Kraft, die ganze Macht der Sonne zu nutzen und dennoch nie auch nur einen einzigen Sämling zu versengen? Wie konnte er ihr erklären, was es für die Menschen in den Hallen bedeutete, daß eine Barohna auf dem Thron saß? Wenn sie das Tal ihrer Mutter nur jetzt sehen könnte, die zerfallenen Dämme, die Obstgärten, in denen der Frost wütete, die verwilderten Felder ...
    »Komm mit mir zum Tal deiner Mutter«, sagte er spontan. »Ich werde es dir zeigen. Als sie starb, sind die Menschen fortgezogen. Sie mußten in andere Täler ziehen, weil niemand mehr da war, um die Sonne anzuziehen. Jetzt kann niemand mehr dort leben; so lange nicht, bis eine andere Barohna kommt. Wenn du siehst ...«
    Ihre Schultern versteiften sich. »Ich suche nicht nach meiner Mutter. Sie ist tot.«
    »Dein Vater lebte auch dort im Palast. Ich habe ihre Räume gesehen. Als sie fortgingen, nahmen die

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