Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied
Rezni, dafür, daß er euch hierher geführt hat. Was deine Rolle angeht: Alles, was du zu tun hast, ist, das Gesicht eines Soldaten aufzusetzen; eines Mannes, der sich seiner Stärke bewußt ist.«
Wie ein Mann, der in seinem Land eine Legende hat.
Denn das war es, was Jhaviir ihnen sagen wollte – ihnen beiden. Daß die Legende für die Menschen der Wüste wichtig war, weit wichtiger noch als in den Bergen. Es war die Legende, die starke Verbündete überzeugte, die Schutz gegen raubgierige Nachbarn bot – die das Überleben garantierte. Während seiner Anwesenheit hier mußte er sich wie ein Mann verhalten, der fest in seiner Legende stand. Selbst wenn diese Legende vergänglich war. Selbst wenn er dahinter die gleiche zweifelnde und unsichere Person blieb.
Die Tatsache, daß Jhaviir seine eigene Verwundbarkeit gezeigt hatte, ließ natürlich einige von Daniors Zweifeln schwächer werden. Wenn Jhaviir, der durch Orte geritten war, die Danior noch nie gesehen hatte, der ungestüme Menschen zu einem kleinen Volk zusammengeschweißt hatte wenn
er
ein Gesicht für die Öffentlichkeit anlegte, wie könnte ihn dann seine eigene Unsicherheit herabsetzen?
»Ich werde es tun«, sagte er.
»Gut. Du verstehst – jetzt können wir uns unbeschwerteren Themen zuwenden«, sagte Jhaviir und erhob das Glas.
Sie nippten am harzigen
hi-basa,
entspannten sich, und die letzten Barrieren der Zurückhaltung wurden aufgelöst. Nach und nach bekam Kevas Gesicht wieder Farbe, und sie erzählte von ihrem Leben am Ufer des Warmstroms, von Oki, Lekki, von dem jungen Fischer, der sie von seinem Boot aus gehänselt hatte.
Danior berichtete soviel er wußte von den Menschen den Tälern, die Jhaviir gekannt hatte: von seiner Mutter, sei nem Vater, Richterin Pergossa und anderen. Jhaviir sprach über Länder, die er in früheren Jahren erkundet hatte, während sich Lihwa in ihrem Winterpalast aufgehalten hatte Länder, von denen Danior noch nicht einmal geahnt hatte, daß sie existierten. Und er erzählte ihnen von dem Morgen, als er ein fremdartiges Lied gehört und eine Bahn leuchten blauer Seide entdeckt hatte, die sich in den Zweigen ein Baumes verfangen hatte, von den nahen Trümmern ein kleinen Sternen-Handelsschiffs dorthin geweht.
Danior schaute auf die blaue Schärpe, die um Jhaviirs Taille lag, und horchte auf, kämpfte sich aus der wachsenden Benebelung durch das Getränk empor. »Wo ... weißt du, woher sie kommt? Von welchem Ort?« Hatte Jhaviir auch die seidigen Nester in den weißstämmigen Bäumen gesehen – als die Seide gesungen hatte – und die Raubtiere mit den rosa Zungen? Oder war er der einzige?
»Nein«, Jhaviir schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich weiß nicht, woher das Schiff kam, oder warum es hier zerschellte. Ich nehme an, es flog mit einem automatischen System, das versagte. Vielleicht war es Zufall, genau wie derjenige, der die Erstzeiter auf Brakrath stranden ließ – außer, daß ich keine Anzeichen für das Vorhandensein einer Mannschaft entdecken konnte. An der anderen Ladung, die es bei sich hatte – hatte ich keinen Bedarf. Ich ließ sie zurück.«
Danior seufzte. Dann war er der einzige, der über das Blaue Lied hinausgereicht hatte. Der einzige, der in einem fremden Wald gelbäugige Raubtiere gesehen hatte. »Du nahmst nur das Blaue Lied mit?«
»Ich nahm auch Lieder aus anderen Farben mit, Danior. Aber ich zeigte sie Lihwa nie. Sie war über meine Ruhelosigkeit nicht glücklich. Sie wollte mich den Winter über bei sich im Bergpalast haben; obgleich sie mich zu gut verstand, um darauf zu bestehen. So versteckte ich die anderen Sei- den und trage – seit ich das Marlath-Tal verlassen habe – nur das Blaue Lied. Später dann, als ich von Keva getrennt wurde, ging ich zurück und holte die anderen Seiden. Ich versteckte sie wieder, als ich mich hier ansiedelte. Die Kri-Nostri nennen es das Gesetz des
karnikile-karmaka.
Die verborgene, kostbare Waffe – eine sehr freie Obersetzung. Ich lernte als Junge, immer alles zurückzuhalten.«
Danior nickte nachdenklich. »Deine Leute – wissen sie von den anderen Seiden?«
»Ich habe Andeutungen fallen lassen; Andeutungen, daß ich sie eines Tages dem Fleißigsten als Symbol spezieller Hochachtung verleihen werde. Eines Tages, wenn wir zusammen einen bestimmten Punkt in unserem Leben erreichen«, Jhaviir leerte rasch sein Glas und stellte es mit der Oberseite nach unten auf den Tisch. »Und jetzt haben wir genug getrunken, und ihr seid müde. Es
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