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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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keine Spuren des abendlichen Umtrunks an Jhaviir. Er hob die Hand zum Gruß und sprach: »Ich habe Tedni gesagt, daß er an Ranslegas linker Seite gehen darf, wenn er fünf Schritte hinter dir bleibt und das Halfter nicht berührt. Er ist dieses Jahr alt genug, um an der Außenseite der Prozession zu gehen.«
    Dann war Tednis Wut künstlich gewesen? »Er sagte mir, daß er Ranslega immer beim Clan-Ruf geführt hat«, sagte Danior nicht sehr verwundert.
    Jhaviir zeigte seine Zähne in einem breiten Lächeln. »Er wollte es dir einreden. Er wird dir noch einiges über seine
    Wichtigkeit hier erzählen, wenn du ihm die Möglichkeit dazu gibst. Halte ihn in Schranken, wenn du sein Freund sein möchtest. Sonst wird er dich benutzen. Hier – vermutlich hast du Fiirsevrins Mähne schon hundertmal geflochten. Flechte Ranslegas für mich.«
    Danior trat einen Schritt zurück, wollte ablehnen, doch Jhaviir hatte ihm bereits den Kamm in die Hand gedrückt und ihn mit dem Tier allein gelassen. Danior zauderte und legte dann behutsam eine Hand auf die Schulter der Weißmähne. Das Fleisch des Tieres war fest und warm. Als er die Hand fortnahm, hatte sie kein Zeichen hinterlassen. Erleichtert begann er damit, die silberweißen Strähnen abzuteilen und zu kämmen.
    Nach einer Weile gesellte sich Keva zu ihm. Sie blieb schweigend im grellen Morgensonnenlicht stehen, die Augen von dunklen Ringen umgeben, das Gesicht bleich. Sie sah ihm eine Weile zu und nahm ihm den Kamm fort, als sie bemerkte, wie ungeschickt er hantierte.
    »Hast du schon gegessen?« fragte er, besorgt wegen ihrer Blässe. Er grübelte, ob sie vom
hi-basa
oder vom Schlafmangel herrührte.
    »Nein«, antwortete sie kurz und flocht geschickt die Mähne des Hengstes zu Zöpfen.
    Er erkannte, daß sie nicht reden wollte. Deshalb entfernte er sich. In der Nähe entdeckte er Bürsten auf dem Boden. Er hob eine auf und begann, stumm Ranslegas Fell zu striegeln. Manchmal hielt er inne und blickte sich unruhig um. Jhaviir hatte sein Glashaus etwas entfernt von den übrigen gebaut, so daß es Aussicht auf die Wüste bot. Dahinter erstreckte sich die Landschaft dem Süden zu in kahlen, kleinen Hügeln. Verdorrte Pflanzen standen Wache. Er sah in die Richtung, aus der sie gestern abend gekommen waren, und entdeckte das Labyrinth, die dornigen Sträucher; ihr uneinheitliches Grün hob sich gegen das schwärzliche Braun der Wüste ab. Bei Tageslicht war es nicht so eindrucksvoll wie in der Erinnerung. Es schuf kaum mehr als einen Halbkreis um die Ansiedlung und ließ deren Ränder in den anderen Richtungen ungeschützt.
    Er kniff die Augen zusammen und blickte prüfend in die Weite hinaus. Bei Tageslicht schien die Ansiedlung des Größeren Clans kaum Schutz gegen die Trockenheit der Wüste zu bieten. Glasscheiben schützten die Gärten und hielten die kostbare Feuchtigkeit zurück, die für die Ernährung nötig war. Barfüßige Männer und Frauen mit sonnengebräunten Gesichtern versammelten sich zum Clan-Ruf, ihre Kinder balgten sich in den staubigen Gassen. Und dahinter lagen Sand, Wind und die Kleinen Clans.
    Danior warf Keva einen Blick zu und stellte fest, daß auch sie unruhig in die Richtung schaute, in der die Wüste lag. Etwas später erschien Rezni. Er kam barfüßig die Gasse heruntergetrottet, sein Gewand und die Hose blitzten weiß auf, das Haar war frisch geknotet. Er trug sowohl ein Messer als auch einen Speer. Er hielt inne, um zu sehen, wie weit Ranslega bereits gestriegelt war, und sagte mit anmaßender Überheblichkeit: »Ich werde das Reitpolster und den Sattel holen.« Als Keva nicht von ihrer Arbeit aufsah, klopfte er auf Daniors Arm und hob fragend die Augenbrauen.
    Danior hob die Schultern zu einem unverbindlichen Achselzucken. Er wollte ganz bestimmt keine Rolle in Reznis Werbung um Keva spielen.
    Es dauerte nicht lange, da stand der Weißmähnenhengst mit geflochtenen Zöpfen und gesattelt vor ihnen, den Nacken stolz gebogen. Menschen drängten sich näher heran, sie starrten auf Keva und Danior und murmelten in der Sprache des Clans miteinander. Tedni erschien, tauchte unter dem Bauch der Weißmähne hindurch und begrüßte Rezni mit einer langen, bombastischen Rede. Rezni antwortete ihm scharf, und der Junge sprang weg, während er eine Erwiderung über die Schulter zurückrief.
    »Er wünscht, daß wir begreifen, daß all die Menschen gekommen sind, um zuzusehen, wie er mit der Prozession beginnt«, bemerkte Rezni. Er drehte sich herum, und seine

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