Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
Vom Netzwerk:
ist Zeit, daß wir schlafen gehen, Tochter, Rauth-Sohn.«
    Danior wollte dagegen protestieren, er wollte noch reden, aber seine Zunge war schwer geworden. Jhaviir deutete auf
ein
Polster in dem Zimmer, in dem Tedni und seine jüngeren Brüder schliefen. Danior streckte sich darauf aus, den Kopf voll halbformulierter Fragen, halbverarbeiteter Einsichten. Er erkannte, daß er viel von Jhaviir lernen konnte – vieles, was ihm niemand sonst beibringen konnte.
    Mehr vielleicht, als er selbst von Keva lernen könnte. Vielleicht gab es sogar einiges, war er sie lehren konnte, wenn sie damit einverstanden war; so wie er sie unterwiesen hatte, wie man dem Unterricht lauscht. Er atmete tief, schloß die Finger um den Paarungsstein und dachte an die Kuriere, die jetzt zwischen den Kleinen Clans hin und her eilten. Inzwischen war die Neuigkeit schon verbreitet, daß der Größere Clan eine Barohna beherbergte. Und nur er und Jhaviir wußten, daß die Barohna keine Übung besaß und ängstlich war. Er preßte den Paarungsstein und versuchte herauszufinden, was er tun mußte, um Keva über ihre Angst hinwegzuhelfen. Er erinnerte sich noch zu gut an seine anfängliche Furcht vor dem Paarungsstein.
    Aber den Paarungsstein zu benutzen, war eine relativ geringe Begabung, wenn man sie mit der Kraft verglich, die Keva entfesselt hatte. Was konnte er ihr schon sagen? Auf dem Weg weiterzugehen, daraus zu lernen; das schien ein gefährlicher Ratschlag zu sein, obwohl es der einzige sein mochte, den er geben konnte. Denn wenn sie ihr Talent nicht prüfte, wenn sie sich nicht darin übte, es zu beherrschen, dann würde es sie beherrschen.
    Er schloß beunruhigt die Augen und bemühte sich einzuschlafen.
    Er erwachte am nächsten Morgen, nur um zu entdecken, daß Tedni, Jhaviirs ältester Sohn, mit gekräuselter Stirn wütend über ihm stand. Und er stellte fest, daß sein Kopf dröhnte. Danior setzte sich auf, rieb sich die Augen und hoffte darauf, daß Wasser den widerlichen Geschmack, der von dem abendlichen Umtrunk übriggeblieben war, aus seinem Mund spülen würde. Die Morgensonne strömte durch die dicken Glasscheiben. Die kleineren Jungen waren verschwunden.
    »Du hast in deinen Kleidern geschlafen«, sagte Tedni vorwurfsvoll, und er betonte die Worte nachdrücklich. »Maiya wird dir jetzt saubere bringen, und du mußt diese hier waschen. « Unwirsch schob der Junge sein dunkles Haar aus der knochigen Wange. »Bevor du ankamst, war es meine Aufgabe, Ranslega beim Clans-Ruf zu führen, weißt du. Ich führe ihn in jedem Jahr, weil ich der erste und stärkste Sohn Viir-Negas bin. Und jetzt erzählt mein Vater jedem, daß du ihn führen wirst.«
    Danior erhob sich langsam, die Hände an die schmerzenden Schläfen gepreßt, und versuchte, Tednis Groll zu begreifen. Offenbar hatte er sich eine hochgeschätzte, zeremonielle Aufgabe widerrechtlich angeeignet. »Warum gehen wir nicht jeweils an einer Seite Ranslegas?« bot er ihm ohne nachzudenken an. »Wir können das Privileg teilen.«
    Tednis Pupillen zogen sich zusammen, und seine Lippen wurden schmal. »Wenn du drei Schritte hinterher gehen willst, dann werden wir teilen«, erwiderte er hochmütig.
    Danior wurde rot. »Der Viir-Nega hat mich nicht darum gebeten, hinter jemanden herzugehen.« In Anbetracht des S chmerzes in seinem Kopf und der wütenden Arroganz Tednis fiel es ihm leicht, seine Worte mit Stacheln zu versehen.
    Tedni stellte sich auf die Zehenspitzen und wurde noch wütender. Als Danior darauf nicht reagierte, zeigte er plötzlich mit einem aufblitzenden Grinsen die Zähne. »Ich werde mit meinem Vater sprechen«, sagte er und schlüpfte davon.
    Danior schaute ihm achselzuckend nach, dann strich er sich über die Kleider und wagte sich in den Waschraum, wo er sein Gesicht mit Wasser bespritzte. Entweder hatte das
hi-basa
oder die Erschöpfung seine Augen stumpf werden lassen, sie waren von dunklen Ringen umgeben, sein Gesicht war bleich. Seine Muskeln fühlten an sich wie Blei, und er konnte seine Bewegungen nicht so gut koordinieren wie gewohnt.
    Er wusch sich und aß mit den anderen, die sich zum Essen drängten; in seinem Kopf hämmerte es. Jhaviirs Erlaß, daß bei Tisch die Sprache der Berge gesprochen werden sollte, hatte sich offenbar nur auf den gestrigen Abend bezogen. Heute zankten sich die Kinder wieder in ihrer Sprache. Niemand machte eine Anspielung auf Daniors zerknitterte Kleider.
    Als er sich nach draußen wagte, wo Jhaviir Ranslega striegelte, sah er

Weitere Kostenlose Bücher