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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Schande. Deshalb muß ich mich als ihr Führer lauter ausruhen, als es jemand anderes tut. Sonst verliere ich ihr Vertrauen. Und ich wage es nicht, ihr Vertrauen zu verlieren.
    Was wir hier aufgebaut haben, ist noch zerbrechlich. Wir ziehen noch die erste Generation der Kinder auf, die keine andere Loyalität als die zum Größeren Clan anerkennen. Wenn ich mich nicht als stark darstelle, könnten ihre Eltern sehr gut wieder in das Chaos zurücksinken. Und dann wäre alles verloren; die Kleinen Clans würden uns überwältigen. Dann gäb es kein Zeichen meiner Arbeit mehr als zerbrochenes Glas und verdorrte Samen. Verstehst du mich, Keva?«
    Für Danior war es offensichtlich, daß sie es tat, daß sie verstand, weshalb er sie dem Clan als Barohna präsentieren mußte. Ihre Lippen begannen zu zittern. Sie sprach stockend, leise, und wich seinen Augen aus. »Was soll ich tun?«
    Jhaviir seufzte tief, strich sich mit seiner dunklen Hand übers Gesicht und preßte die Schläfen in einer vertrauten Geste. Danior beobachtete ihn und vermutete, daß er sich s elten von jemandem in diesem Zustand sehen ließ: müde, voller Sorgen, entmutigt. »Nichts Schwieriges, Keva. Reite mit mir zum Clan-Ruf. Höre dir die schönen Reden an, die du nicht verstehen wirst. Verhalte dich so, wie du es Rezni gegenüber instinktiv getan hast, wie eine Person von Rang. Meine Leute werden beeindruckt sein, weil sie beeindruckt werden möchten. Sie möchten starke Verbündete besitzen.«
    Während Keva weiter stumm auf den Tisch starrte, sagte Danior zweifelnd: »Die Männer der Kleinen Clans ... wenn sie die Gothnis entdecken ... wenn sie begreifen, was mit ihnen geschehen ist ...«
    Jhaviir blickte in sein Glas, ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit darin kreisen und atmete schwer. »Zwei Dinge habe ich in den Jahren, in denen ich hier lebe, erreicht, Danior. Ich habe eine Gruppe streitender Clans zum Größeren Clan vereinigt. Und damit habe ich, ohne es zu beabsichtigen, auch viele der anderen Clans vereinigt – nur, indem ich ihnen einen gemeinsamen Feind geschaffen habe.«
    »Den Größeren Clan«, wiederholte Danior leise für sich, verstehend. Die Existenz des Größeren Clans hatte zwischen den kleineren Clans provisorische Bande geschmiedet. Nicht Bande der Freundschaft, sondern der gemeinsamen Furcht.
    »Ja. Sie haben so lange nach der alten Art gelebt – sind umhergezogen, haben gekämpft, einander die Lager ge- plündert – , daß sie kein Verständnis für eine andere Lebensweise aufbringen können. Sie begreifen auch nicht, daß wir durchaus eine andere Lebensweise gefunden haben. Sie sehen, wie wir von Jahr zu Jahr stärker werden, und sie glauben, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir gegen sie vorgehen. Und so ziehen sie sich jedes Jahr enger zusammen. Sie bekämpfen einander weniger und bedrängen uns stärker. Und jetzt ...« Jhaviirs Augen irrten zu Keva, die noch immer mit zusammengepreßten Lippen auf den Tisch starrte. Er hob die Brauen und hob achselzuckend sein Glas.
    Jetzt.
Danior schaute Keva kurz an und sah, daß sie nicht erkannt hatte, was er unerwähnt gelassen hatte: daß sich die Kleinen Clans, wenn sie erführen, daß eine Barohna sich dem Größeren Clan angeschlossen hatte, noch bedrohter fühlen würden, Sie würden sich noch stärker und entschlossener gegen den gemeinsamen Feind zusammenschließen. »Wie rasch verbreiten sich Neuigkeiten in der Wüste?«
    »Mittlerweile sehr rasch. Die Kleinen Clans bekämpfen und bestehlen sich zwar noch immer gegenseitig, doch sie haben bevollmächtigte Kuriere, die nicht belästigt werden. Sie sind schon unterwegs.«
    Und sie beförderten die Neuigkeiten weiter! Danior berührte seinen Paarungsstein; er war durch das Bild beunruhigt, das Jhaviir gezeichnet hatte – von einer zerbrechlichen Gemeinschaft; von grausamen Feinden; von Menschen, die leichte wieder ins Chaos zurücksinken konnten. Und es hatte den Anschein, als könnte er nichts tun. «Möchtest du mich auch beim Clan-Ruf dabei haben?« fragte er unsicher.
    Jhaviir stellte sein Glas behutsam auf den Tisch. Er sah kurz zu Keva, dann wandte er seine ganze Aufmerksamkeit Danior zu. »Als meinen Rauth-Sohn? Ja, es ist wichtig, daß du mitkommst. Ich möchte, daß du Ranslega führst, meinen Hengst. Rezni wird mit dir gehen und die singende Seide tragen – es ist das erstemal, daß ich einer anderen Person das erlaube. Ich möchte dir gerne einen zeremoniellen Titel verleihen – und vielleicht auch

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