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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Aberra zurück in den Garten ziehen ...
    Reyna hielt den Atem an. Einen Augenblick lang hatte es ihr geschienen, als flösse die Zeit rückwärts. Denn dort am unteren Teil der Bergflanke war jemand, der auf dem Weg ins Tal war. Unbeholfen stolperte Reyna auf die Füße und starrte auf den Berg; die Brust wurde ihr eng.
    Sie hatte sich nicht geirrt; jemand kletterte den Berg hinab.
Aberra?
    Ihr Herz begann zu rasen. Neunzehn Tage war es her. Hatte Aberra einfach nur so lange gebraucht, um die Spur der Bestie aufzunehmen und sie zu stellen? Kam sie jetzt verwandelt zurück – befähigt, die Sonne zu zähmen und ihre Wärme im Sonnenthron einzufangen? Kam sie zurück, um als nächste Barohna des Terlath-Tals zu dienen?
    Reyna bewegte sich ohne eigenen Willen durch die Bäume auf den sanften Anfang des Berghanges zu. Ihre Füße trugen sie vorwärts, ohne dazu angewiesen zu sein. Sie sah unausgesetzt hinauf, als wäre sie von der Gestalt, die sich dort zwischen den Felsen bewegte, magnetisch angezogen. Wenn es Aberra war, wenn sie überlebt hatte ...
    Reyna achtete kaum auf den Boden, als sie den Garten verließ. Sie rannte den steinigen Weg empor, atmete heftig, war voller Hoffnung ...
    Da sah sie mit heftiger Enttäuschung, daß es weder eine Barohna noch eine Palasttochter war, die da den steinigen Bergpfad herabstieg. Die Gestalt war ein Mann. Er trug eine sperrige Last auf dem Rücken. Als er näher kam, sah sie, daß er in Felle gekleidet war und daß er einen Spieß in der Hand trug.
    Reyna ließ sich auf einen flachen Stein am Anfang es Pfades fallen; bebend vor Enttäuschung. Ein Jäger. Es war ein Jäger, der den Berg herabkam, vermutlich durch die Aussicht auf Lustbarkeit und Tanz ins Tal gelockt. Sie sah jetzt, daß er eine Weste aus Breeterlikpelz trug und daß seine Mütze und Hose aus dem Fell eines Felsleoparden genäht waren. Er schien jung zu sein, nicht älter als ihr Bruder Danior; er war sehnig und sonnengegerbt. Sein Haar leuchtete weiß im Sonnenlicht.
    Als er näherkam, schien er sie nicht wahrzunehmen, wie sie da auf dem Stein- saß, mit hochgezogenen Knien und die Augen angefüllt mit unvergossenen Tränen. Sein Blick war entrückt, als wäre er derart mit seinen eigenen Absichten beschäftigt, daß er nicht einmal den Weg unter seinen Füßen bemerkte.
    Reyna legte die Stirn in Falten und beobachtete ihn mit widerwilligem Interesse. Er war mittlerweile nahe genug, daß sie sein Gesicht betrachten konnte; sie stellte fest, daß er nicht wie ein Mann aussah, der ins Tal kam, um zu feiern. Seine Lippen waren zusammengepreßt, die Stirn war in tiefe Falten gelegt. Er schritt unter einer Schutzhülle, als wäre er völlig allein auf der Welt, als gäbe es niemanden darauf als ihn.
    Er ging, als wäre er so allein, wie sie sich augenblicklich fühlte.
    Vielleicht bedeutete es das, ein Jäger zu sein: allein zu sein. Oder vielleicht – ihr Herz krampfte sich wie eine Faust in der Brust zusammen – vielleicht war er gekommen, um Nachrichten von Aberra zu bringen. Vielleicht wußte er zu berichten, von welchem Tier sie getötet worden, wie es geschehen war. Vielleicht war es das, weshalb er so finster in die Sonne starrte; die Düsternis seines Vorhabens.
    Unwillkürlich erhob sie sich, als er am Ende des Weges angekommen war.
    »Meine Schwester ...« sagte sie und hielt sogleich wieder inne, erschrocken darüber, daß sie ihn möglicherweise zu unvermittelt angesprochen hatte.
    Aber sie hatte ihn nicht überrascht. Er mußte sie längst gesehen haben, obwohl er es sich bis jetzt nicht hatte anmerken lassen. Nun wandte er sich ihr langsam zu und betrachtete sie wachsam mit grauen Augen. Er schien ihre halbausgesprochene Frage nicht zu verstehen. Er schien nicht zu wissen, wie er antworten sollte.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sagte: »Deine Schwester?« Seine Stimme war heiser, als hätte er sie seit Tagen nicht mehr benutzt.
    Reyna seufzte und fiel auf den Stein zurück. »Ich dachte, du hättest vielleicht meine Schwester gesehen, Aberra. Ich dachte, du hättest vielleicht Neuigkeiten über sie.«
    Als er nicht antwortete, sagte sie: »Sie ging zu ihrer Prüfung vor vier Händen von Tagen. Niemand hat sie seitdem gesehen.«
    Ihr schien es, während er fortfuhr, sie zu beobachten, als mache ihn ihre Gegenwart wachsam; als erwarte er eine Verletzung durch sie.
    Was für eine Verletzung konnte sie ihm seiner Ansicht nach zufügen? Wenn er nicht gekommen war, um auf dem Fest zu

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