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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen. Die Arnimis hatten ihn erst zwei Tage vor dem Abflug zurückgebracht; abgemagert, gebräunt und sogar noch fremder, als er am Tag ihres ersten Treffens gewesen war.
    Seufzend starrte sie aus dem Bullauge auf die schnell schrumpfende Gestalt Brakraths hinab und verspürte eine derartige innere Leere, daß sie ihr fast körperliche Übelkeit verursachte. Die Obstgärten, in denen sie seit ihrer Kindheit umhergeschweift war, die Bergpfade, auf denen sie jeden Schritt kannte, der vertraute Himmel – als Brakrath unter ihr immer winziger wurde, empfand Reyna plötzlich schmerzliche Trauer um all diese Dinge. Sie wünschte, sie wäre ebenfalls verschwunden, nur um das Land unter den Füßen zu spüren, bevor sie es verlassen hätte.
    Im Tal war jedes wahrnehmbare Detail bedeutungsvoll für sie: die Art, wie die Schatten der Wolken über die gepflasterten Straßen flogen; die Beschaffenheit der Luft am Dunkelmorgen, wenn der erste Schnee fiel; der vertraute Geruch der Felder und Pferche, der Konservenfabrik und Kantinen.
    Sie hatte gelernt, all diese Eindrücke ohne Zögern oder Überlegung zu sortieren und zuzuordnen. Sie wußte, wann es Zeit für die Kinder war, in die Obstgärten zu gehen und die Bäume zu befruchten. Sie wußte, wann die Frauen der Hallen die Falken freiließen, die sie in jedem Jahr zum Ausbrüten freigaben und über die Felder fliegen ließen, damit eine erfolgreiche Ernte gewährleistet war. Sie wußte, wann in den Hallen getrunken wurde, wann gesungen und wann Geschichten erzählt wurden. Sie hatte sich so gut an das Leben im Tal angepaßt, daß sie nie über die Sitten und Gebräuche seines gesellschaftlichen Lebens nachgedacht hatte.
    Jetzt belehrte sie die Bewegung des Gefährtes darüber, daß alles, was sie wußte, bedeutungslos geworden war. Reyna schauderte und umklammerte die Armlehnen des Sessels, an den Verra sie festgeschnallt hatte. Die Gerüche in der Kabine waren fremdartig, die Luft war so trocken, daß sie ihr die Kehle ausdörrte. Sie hatte keine Anhaltspunkte, die Geräusche und Vibrationen der Fähre zu deuten. Sie hatte nur den Eindruck eines beunruhigenden Brummens und Dröhnens knapp unterhalb der Hörschwelle. Wenn sie auf dem Transportschiff ankommen und unter den Besatzungsmitgliedern und Passagieren umhergehen würden – Verra hatte ihr erzählt, daß es viele sein würden –, würde sie nicht wissen, wie sie mit ihnen reden sollte. Selbst wenn sie ihre Sprache verstünde, würde sie nicht wissen, welche Gesprächsthemen angebracht waren. Welche Höflichkeitsformen mochten bei ihnen üblich sein, und wie würden sie reagieren, wenn Reyna sie unabsichtlich beleidigte?
    Welche dieser Fragen machten auch Juaren zu schaffen? Sie hatte versucht, seinen Blick einzufangen und wenn möglich ein Eingeständnis in ihm zu lesen; aber sein Benehmen war zurückhaltend, und er wirkte abgelenkt. War er von dem Schritt, den sie unternahmen, ebenso überwältigt wie sie?
    Oder gehörte es nur zu den Eigenarten eines Jägers, daß er nach jedem Abschied wieder ein Fremder wurde? War das der Grund, weshalb er ein Jäger geworden war; wegen der zu ihnen und geleitete sie vom Andockdeck zu den Gängen des Frachters. Dort wogten seltsam gekleidete Leute an ihnen vorüber, mit fremdartigen Gerüchen behaftet und von kaum menschlichem Aussehen.
    Große Gestalten mit seltsam angeordneten Gliedern und hohlen Gesichtern. Kleine Leute mit glänzend schwarzer Haut. Gelegentlich ein düster wirkender Arnimi mit vorquellenden Augen, der mit quabbeligem Leib dahertrottete. Leute in Kleidern aus Fell und Leute mit natürlich gewachsenem Pelz. Einmal eilte eine Gruppe Männer und Frauen in leuchtend gelben Kleidern vorüber; sie lachten, und ihre dunklen Augen blitzten aus angenehm proportionierten Gesichtern hervor. Reyna drehte sich nach ihnen um; sie war so aufgeregt, daß sie keine Frage zu formulieren vermochte.
    Verra berührte ihren Arm. »Tathemeder«, sagte sie. »Sie gleichen sehr deinen eigenen Leuten, nicht wahr?«
    Reyna nickte benommen. Sie waren wie eine Rasse von Barohnas; großgewachsen, gebräunt und ansehnlich. Aber das Zeichen des Sonnensteins war nicht an ihnen. Ihre Gesichter waren beweglich, ihre Augen hell und lachend. Und es waren Männer unter ihnen; dunkle und große Männer, wie es sie auf Brakrath nicht gab, mit Ausnahme ihres Vaters und seinem Bruder.
    »Was machen sie hier? Gehören sie zur Mannschaft?«
    »O ja. Sie heuern an Bord

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