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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Möglichkeit haben, in Birnam Rauths bevorzugter Sprache zu reden.«
    Reyna sah sie scharf an und fragte sich, ob sie in ihren Worten Bedauern darüber gehört hatte, daß sie überstimmt worden war. Zweifelte sie daran, daß sie Birnam Rauth finden würden? Zweifelte sie sogar daran, daß sie auch nur erfahren würden, was mit ihm geschehen war? Rasch warf sie Juaren einen Blick zu und fragte sich zum erstenmal, was wohl seine Erwartungen waren.
    Und sie selbst? Was erwartete sie? Sie befand, daß sie darüber nicht nachdenken wollte. Nicht heute. Nicht, nachdem der Gesang der Seide ihr Gefühl für seine Gegenwart so akut und quälend gemacht hatte.
    Am späten Morgen verschlossen sie das Schiff hinter sich und schlugen einen weiten Bogen um den mißgebildeten Baum. Jetzt bei Tageslicht konnten sie papierne Insektenbauten in seinen dünnen oberen Zweigen erkennen. Reyna umklammerte ihren Spieß und versuchte, das Kribbeln auf ihrer Haut zu ignorieren. Der Packen lastete leicht auf ihrem Rücken. Verra hatte sie davon überzeugt, eines der Antischweregeräte als Sicherheit gegen unerwartete Ereignisse mitzunehmen. Sie hatten ihre Nahrungsvorräte, ein wenig Kleidung und andere unerläßliche Dinge gebündelt und die Last an das Aggregat gebunden. Es schwebte hinter ihnen her, wie es programmiert war.
    Die Mittagssonne war leuchtend gelb. Während des Gehens roch Reyna die Wärme, die das Gestirn auf den Boden und die Vegetation abstrahlte. Das Gras wuchs dicht und war dunkelgrün, aber die Bäume, an denen sie vorbeikamen, waren dürr und knorrig und von Insekten verseucht.
    Sie gingen hintereinander durch Gras und Gebüsch. Reyna trug die Sternenseide mit eingeschlagenen Enden um die Taille geschlungen. Sie mußte sich beherrschen, um nicht die brennende Quaddel an ihrer Schulter zu reiben. Und sie mußte sich beherrschen, ihre Befürchtungen nicht auszusprechen. Das Land war so weit und leer.
    Juaren zumindest schien sich wohl zu fühlen – mehr, als sie ihn je zuvor gesehen hatte –, obwohl er sich wachsam bewegte. Und leichtfüßig. Reyna hielt nach Abdrücken seiner Stiefel Ausschau und konnte sie nicht ausmachen. Ihre eigenen und Verras Fußspuren sah sie deutlich.
    Juaren war derjenige, der den schmalen Fluß entdeckte, der sich seinen Weg durch Gesträuch und entlang baumbestandener Ufer bahnte. Er rief nach Halt aus, und sie studierten die schimmernde Wasserfläche aus sicherer Entfernung.
    »Ich würde es gerne untersuchen, um herauszufinden, ob es trinkbar ist«, sagte Verra zweifelnd.
    Juaren spähte mit zusammengekniffenen Augen zu den Bäumen, die das Ufer säumten. Ihre zarten oberen Zweige waren mit Insektennestern behangen. Ein schillerndes Irisieren von Flügeln war in der Luft. Er runzelte die Stirn und gab Verra recht bei ihren Bedenken.
    »Was denkst du darüber, Reyna?« fragte er.
    Reynas Hand krampfte sich um den Spieß, und ihre Schulter fing wieder an zu brennen. »Wenn unsere Reserven zu Ende gehen und wir sonst nirgends Wasser finden ...« »Dann wagen wir es«, stimmte Verra zu. Geistesabwesend rieb sie ihren Arm.
    In stillschweigender Übereinkunft mieden sie das Ufer des von Bäumen beschatteten Baches, der die Ebene durchfloß, wobei er den verstreuten Bäumen genügend Raum ließ. Am frühen Nachmittag, als sie Halt machten, um zu essen, ging Juaren fort und kehrte mißmutig und abweisend zurück. Reyna beobachtete ihn und fühlte, wie ihre Zuversicht schwand. Wenn Juaren beunruhigt war, mußte es etwas geben, vor dem man sich zu hüten hatte. Aber sie konnte nichts erblicken. Zudem bereiteten die ungewohnte Helligkeit der Sonne und die Leere der Landschaft ihr zunehmend Unbehagen.
    As sie an Bord der
Narsid
gegangen war, hatte sie es bedauert, die Sprachen, die Gewohnheiten und die gewöhnliche Höflichkeit den Leuten gegenüber nicht zu beherrschen, die sie dort antreffen würde.
    Hier gab es – abgesehen von dem flüchtigen Anblick einer rennenden Gestalt in der letzten Nacht – kein Anzeichen von Bewohntheit. Es gab nur tiefe Stille, als wären sie in ein Land ohne Geschichte und ohne Legenden gekommen; in ein Land, in dem niemand war, der den dramatischen Wechsel der Jahreszeiten hätte beschreiben können; niemand, der Kunde von den vielfältigen Vorgängen der Natur hätte geben können.
    War das der Grund für Juarens Schweigsamkeit? War er so still geworden, weil er die Leere des Landes ebenso fühlte wie sie? Reyna beobachtete ihn unbehaglich, als sie ihren Zug

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