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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Baum. Sie konnte sie nicht zurücklassen. Sie atmete tief ein, wappnete sich und machte ein paar Schritte nach vorn. Sie vermied es, nach den schattenhaften Insekten zu schlagen, die ihr ständig ins Gesicht flatterten. Eins von ihnen krabbelte über ihren Arm und kitzelte sie, aber sie ignorierte es. Mit vor Furcht erstarrten Fingern band sie die Sternenseide los.
    Sie nahm sich nicht die Zeit, das Gewebe zusammenzufalten. Sie zerrte es vom Baum, raffte es unter dem Arm zusammen und machte sich auf den Rückzug.
    Sie hatte vorgehabt, dabei vorsichtig vorzugehen und sich unauffällig zu bewegen. Da fühlte sie unvermittelt einen heftigen Schmerz in der Schulter, der so stechend war, daß sie aufschrie, umhertanzte und wild um sich schlug. Bevor sie sich vergegenwärtigen konnte, was sie getan hatte, war das Wesen, das sie beobachtet hatte, aufgeschreckt und floh; preschte aus dem Gesträuch hervor und raste auf vier Füßen davon.
    Enttäuscht hielt sich Reyna die schmerzende Schulter und starrte hinter der fliehenden Kreatur her. Sie sah nicht mehr als einen eilenden Schatten. Langsam ließ sie die Hand sinken und besah sich. Das Insekt, das sie gestochen hatte, lag zerquetscht in ihrer hohlen Hand. Sie starrte zunächst verständnislos, dann mit wachsender Besorgnis, darauf, auf Brakrath waren die meisten Insekten harmlos. Von den wenigen jedoch, die stechen konnten, waren einige tödlich.
    Sie vergaß das Geschöpf, das sie vom Busch aus beobachtet hatte. Benommen stolperte sie zum Schiff zurück, wobei sie das tote Insekt in der geschlossenen Hand mit sich nahm. Als sich die Schleuse hinter ihr schloß, trug sie es ans Licht und untersuchte es, drehte es mit kalten Fingern um, ohne zu wissen, wonach sie suchte. Es wirkte zerbrechlich, hatte gegliederte Beine und hauchdünne, farbig geäderte Flügel ...
    Der Stachel war es, der es häßlich machte. Nur der Stachel.
    »Verra?« sagte Reyna schwach, ließ das Insekt fallen und kniete neben dem Ruhebett nieder, auf dem die Arnimifrau schlief. Die Sternenseide flatterte unbeachtet zu Boden. »Verra?«
    Ein Umschlag – ob ein Umschlag helfen würde? Aber sie hatten nur Arnimi-Medikamente mitgebracht, von denen sie nicht wußte, wie sie angewendet wurden.
    Und Verra wollte nicht erwachen. Auch Juaren wurde nicht wach, als sie ihn rief. Er drehte sich nur auf die andere Seite und legte den Arm über die Augen, als wären sie verletzt. Bebend ließ sich Reyna auf ihr eigenes Bett fallen. Ihre
    Schulter brannte heftig, und das Blut raste in ihren Adern und pochte ihr in den Ohren. Ihr Herz klopfte so heftig gegen die Rippen, daß sie die einzelnen Schläge zu unterscheiden vermochte.
    Aber es würde ihr nichts nützen, wenn sie in Panik geriete. Sie schloß die Augen und zwang sich zu einigen tiefen Atemzügen. Dann faßte sie behutsam ihr Handgelenk an und maß ihren Puls. Überraschenderweise war er nur wenig schneller als normal.
    Verwirrt untersuchte sie die Situation auf diesen neuen Aspekt hin nochmals. Möglicherweise war in dem Stachel kein Gift gewesen. Erneut schloß sie die Augen und zwang sich dazu, für einige Minuten völlig ruhig liegenzubleiben. Dann stand sie vorsichtig auf und sah sich in der Kabine um. Juaren schlief jetzt auf dem Bauch, das Gesicht in der Armbeuge verborgen. Verra lag noch immer zusammengekrümmt, als hätte sie Leibschmerzen. Die Seide lag unordentlich auf dem Boden, das zerquetschte Insekt daneben.
    Sorgsam hob Reyna das leichte Ding auf und legte es unter den Artenbestimmer. Die Bewegung verursachte ihr keinen Schwindel. Auch fiebrig war sie nicht, und übel war ihr ebenfalls nicht. Wenn in dem Stachel irgendein Gift gewesen war, hatte es sie offenbar nur vorübergehend beeinträchtigt.
    Und die Kreatur, von der sie aus dem Gebüsch beobachtet worden war, hatte nicht versucht, sie anzugreifen. Und sie hatte ihm auch nichts getan. Aber weder Verra noch Juaren wurden wach, und außerhalb des Schiffes lag eine ganze Welt, die sie nicht kannte. Eine Welt, zu der sie gereist war, ohne sich zuvor gefragt zu haben, wie ihre Seltsamkeiten auf sie wirken würden. Gedankenleer legte sie sich wieder hin und blinzelte in das grelle Licht. Nach wenigen Minuten begann ihr Kopf zu schmerzen; sie holte ihr Sedativum hervor und schluckte es. Dann schlief auch sie.
    Unmerklich verstrich die Zeit. Nach einer Weile schüttelte Reyna jemand. Jemand rief ihren Namen und versuchte, ihr ein heißes Getränk einzuflößen. Der Geruch ungefilterter Luft war

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