Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
der beiden schmiegte sich vertraulich an sie. Das andere aber strampelte schwach, kratzte sie mit kraftlosen Krallen und hustete plötzlich, als müsse es würgen. Es fühlte sich wärmer als das andere an, vom Fieber erhitzt, und seine Glieder waren schmächtiger.
Als sie die Stelle erreichte, wo Verra schlief, kniete Reyna sich nieder und legte die beiden kleinen Geschöpfe auf ihr Bettzeug. Das Sternenlicht war hier heller, weil es nicht von Baumkronen abgefangen wurde. Sie untersuchte die Tierchen, streckte ihre dünnen Gliedmaßen und bewegte ihre winzigen Köpfe. Sie waren eindeutig von derselben Art wie das Geschöpf, das sie und Verra unter dem ausgetrockneten Strauch begraben hatten. Und bestimmt waren sie noch sehr klein, vielleicht nur wenige Tage alt. Was sollte sie nur mit ihnen anstellen? Was brauchten sie? Das kleinere hustete schon wieder; seine dünnen Glieder verkrampften sich, und Reyna hatte das hilflose Gefühl, daß sie ihnen niemals geben können würde, was sie nötig hatten. Sie berührte das andere, und es nahm ihren Finger ins Maul und begann, daran zu saugen.
Verra wachte auf, als Reyna sich an den Vorratsbeuteln zu schaffen machte.
»Was ist los?« fragte sie. Ihre Stimme war vom Schlaf verwischt.
»Ich habe sie gefunden«, erwiderte Reyna beiläufig. »Aber ich habe keine Ahnung, was ich mit ihnen anfangen soll. Ich habe keine Ahnung, was ich ihnen geben soll.«
Medizin? Futter? Konnten sie menschliche Nahrung verdauen? Konnte sie es wagen, bei ihnen gegen Insektenstiche dieselbe Salbe zu verabreichen, die sie und Verra benutzt hatten? Sie rieb ihre frischen Stiche und wünschte, sie wüßte, was zu tun war.
»Du hast sie gefunden?« fragte Verra und setzte sich auf. Jetzt klang ihre Stimme wach. Sie trat rasch an Reynas Bett, beugte sich über die beiden Geschöpfe und untersuchte sie. »Eins ist gesund, oder halbwegs bei Gesundheit, das andere ist krank«, sagte sie. »Ich denke, wir sollten sie trennen. Hier - wir haben zusätzliche Decken. Wir können das kleinere darin einwickeln und ein Stück entfernt hinlegen.«
»Und uns nicht weiter um es kümmern?« erkundigte sich Reyna aufgebracht. Als hätte sie gewußt, wie man sich um die hilflose Kreatur kümmern konnte.
»Ich glaube nicht, daß es fressen kann, Reyna. Und ich bezweifle, daß wir ihm eine Medizin geben können, die ihm hilft. Ich weiß nicht, was wir überhaupt tun können, außer es warmzuhalten. «
»Und was ist mit dem anderen? Ich könnte Wasser mit Stärke anrühren; oder ich könnte Eiweißkonzentrat nehmen ...«
Verra hatte eine Extradecke aus ihrem Bündel gezogen und wickelte das kleinere der beiden Geschöpfe darin ein. »Es sind Junge, nehme ich an. Auf Arnim wären es Junge.«
»Du hast schon einmal Tiere dieser Art
gesehen?«
fragte Reyna scharf. Voll Bedauern sah sie zu, wie das kleinere Tierchen erneut zu husten anfing und sein erbärmlicher Körper sich verkrampfte.
»Ich habe Chatni gesehen. Eine Rasse, die wir von der Alten Erde importiert haben. Diese Geschöpfe sind ihnen in einigen Punkten ähnlich.« Sie bettete das Tier, als es zu husten aufhörte und krampfhaft nach Atem rang. »Warum machst du nicht einen Brei? Möglicherweise können wir es ihm auf einem Löffel oder mit den Fingerspitzen reichen. Ich möchte ausprobieren, ob dieses hier ein wenig davon verträgt.«
Reyna stellte fest, daß ihr Junges angereichertes Wasser von einem Löffel schlappen konnte und eifrig an ihrem Finger leckte, als sie ihn erst naß machte und dann in Eiweißpulver tunkte. Das Junge schien ihr aus seinen geschlitzten gelben Augen zuzublinzeln, als es an ihrem Finger nuckelte. Trotz seiner Schwäche glaubte sie, ein scharfzähniges Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen, als es zunächst das Stärkekonzentrat der Flüssigkeit probierte.
Sie war von ihrer Aufgabe so gefesselt, daß sie nicht merkte, wie die Luft kühl wurde und der Mond aufging. Sie bemerkte nicht, daß Verra sich neben dem kleineren Jungen niederließ und kurz den Kopf beugte. Erst, als das ihr anvertraute Junge unvermittelt in einen satten Schlaf fiel, wurde ihr klar, daß das kleinere Geschöpf inzwischen ebenso still dort lag, wie zuvor seine Mutter.
Verra zuckte die Schultern; aber im Mondlicht glitzerten verräterische Tränen in ihren Augenwinkeln. »Es gab nichts, was wir hätten tun können.«
Nichts, was man hätte tun können, sagte sich Reyna in Gedanken vor; und plötzlich bemerkte sie, daß der Mond am Himmel stand. Sie
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