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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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einige davon konnte sie kaum formulieren. »Als du gingst ...«
    Juaren schaute zu den fernen Bäumen, in seinen Augen spiegelte sich die Helligkeit der Vormittagssonne. »Es war, wie dein Bruder es dir berichtet hat. Die Bäume, die Seiden, der Mond ... du wirst das alles sehen.«
    »Und ... die Tiere?« Konnte man sie so bezeichnen? Danior hatte es getan. Aber sie hatte in der vergangenen Nacht ihre schmalen Finger und die gegliederten Daumen gesehen. Und sie hatte den Eindruck, eine mehr als tierhafte Klugheit in den glimmenden gelben Augen gelesen zu haben.
    »Sie sind dort. In den Bäumen.« Juaren fuhr sich durch das schimmernde weiße Haar und wiederholte: »Du wirst sie schon sehen.«
    Also mochte er es ihr nicht erzählen. Er wollte, daß sie es mit eigenen Augen sah. Reyna biß sich auf die Lippe, dann beugte sie sich nieder und rollte das Bettzeug zusammen.
    »Willst du mir wenigstens sagen ... hast du etwas gehört, das wie die Sternenseide klang?«
    Er zuckte mit den Schultern und legte sein Bettzeug zu einem handlichen Paket zusammen. »Ich habe weiße Seiden gesehen, zwei Stück, aber sie redeten beide nicht.«
    Reyna biß sich auf die Lippe. Reichte das aus, um ihre Zweifel zu bestätigen? Allein die Tatsache, daß er Birnam Rauths Stimme nicht in den Bäumen gehört hatte? Sie wandte sich um, schaute umher und versuchte, den Tag einzuschätzen. Das Land schien an diesem Morgen nicht mehr so ausgestorben. Gelegentlich hörte sie Musik im Rascheln des Grases und des dürren Buschwerks. Ihre Augen fingen sogar an, sich an das leuchtende Gelb der Sonne zu gewöhnen. Es schien ihr weniger aufdringlich als gestern. Es wirkte warm – und freundlich.
    Vielleicht war es aber auch die Gelegenheit, mit Juaren allein zu sein, die so auf sie wirkte. Reyna errötete, raffte ihr Bettzeug zusammen und warf es auf den Stapel ihrer Habseligkeiten.
    »Ich bin wirklich hungrig«, sagte sie. »Da war doch dieses Paket mit Lebensmitteln, von denen Verra sagte, sie wären für besondere Fälle ...«
    Juaren nickte in sofortigem Einvernehmen; offenbar teilte er ihre Einschätzung der Gelegenheit. »Laß es uns aufmachen und ausprobieren, wie Delikatessen der Arnimis schmecken.«
    Sie wühlten sich durch die Vorräte, bis sie den Karton mit farbenfrohen Packungen fanden, die auf Verras Heimatwelt hergestellt worden waren. Es lag etwas Überraschendes in den prächtigen Gemälden auf den Etiketten und in der kunstvollen Zubereitung des Essens selbst; in der Schmackhaftigkeit, die durch pikante Gewürze unterstrichen wurde.
    »Ich möchte gerne wissen, wie sich die Arnimis verhalten, wenn sie diese Leckerbissen essen«, sagte Reyna, als sie sich durch den Inhalt des Kartons aßen. Ob sie wohl dabei lächelten? Ob sie lachten und sangen? Sie konnte sich nicht vorstellen, daß eine Arnimi-Gesellschaft um eine Festtafel versammelt saß und in feierlicher Stimmung vereinigt war. Möglicherweise wußten sich auch nur wenige Wohlhabende – zu denen sich Verra nach eigener Aussage zählte – an derartigen Delikatessen zu erfreuen.
    Reyna und Juaren verstanden es gewiß, sie zu genießen. Sie erprobten jede einzelne Packung und machten ein Spiel aus ihren Versuchen, die Bezeichnungen auf den Etiketten zu entziffern. Bald erzählten sie sich gegenseitig über andere Schmausereien; über Leckerbissen, die Juaren und Komas mit in die Berge genommen hatten, über Festbankette, die Reyna in der Palastküche vorzubereiten geholfen hatte, und über Mahlzeiten, die sie genossen hatten, als sie so hungrig gewesen waren, daß ihnen selbst die kargsten Nahrungsmittel gemundet hatten, als entstammten sie einer festlichen Tafel.
    Schließlich aber war das Mahl beendet, der Karton war wieder eingepackt, und sie wußten beide, daß der fröhliche Teil vorüber war. Sie setzten sich ins Gras; Reyna sah zu der dunklen Silhouette des Waldes und sagte: »Ich möchte lernen, wie man Spuren liest. Wie du es kannst.«
    Der gestrige Tag hatte ihr diesen Wunsch eingegeben. Sie wollte nicht mehr blind für alles an ihrem Weg sein, weder
    auf dieser Welt, noch auf einer anderen. Sie wollte lernen, die Zeichen zu deuten; wollte lernen, die Datenkonsole der Arnimis zu benutzen; wollte alles erlernen, was nützlich sein konnte.
    Juarens weiße Brauen zogen sich zusammen, und seine Stimme war scharf geworden, als er fragte: »Weshalb?«
    »Ich möchte sehen, was du siehst«, sagte sie, überrascht von seiner Reaktion. »Ich möchte erkennen, was um mich herum

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