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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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vorgegangen ist, wie du es gestern getan hast.« Sie wollte sich nicht nochmals lächerlich vorkommen – oder unbedeutend, oder unwissend.
    Aber er schien nicht entzückt. Er sah sie mit abweisenden Augen an; dann wich sein Blick ihrem aus, und er rieb sich
    mit dem Handrücken über die Lippen. »Du kannst mich immer fragen. Ich habe dir gestern berichtet, was ich gesehen habe, oder?«
    »Ja, aber es gibt Dinge, die ich selbst wissen muß. Ich möchte es auf jeden Fall lernen, bevor ich meine Prüfung ablege, zumindest einiges davon.«
    Jede Palasttochter lernte, die Spuren der räuberischen Bergbewohner vom Boden abzulesen. Und in den letzten Wochen vor ihrer Prüfung lernten alle Palasttöchter, den Breeterlik bis in seine Höhle zu verfolgen, oder den Klipp-Charger bis zu seinem Lager.
    »Du wolltest es von Schafhirten und Linsenpflegern lernen. Nicht von einem Jäger.«
    »Verständlicherweise. Wir bekommen im Tal kaum Jäger zu Gesicht. Aber Wollar hätte mich mit nach Terlath genommen und es mir beigebracht. Er hat Aberra und Tanse in der Lehre gehabt.«
    »Wollar ist ein Hirte.«
    »Dann kannst du es mich besser lehren«, sagte Reyna und wurde verlegen.
    Das gemeinsame Mahl, das Lachen und die Vertrautheiten, die sie ausgetauscht hatten, schienen vergessen. Juaren hatte
    sich versteift, sein Blick war abwesend und sein Gesicht ernst. Sie konnte sich auf seine Reaktion keinen Reim machen. Dachte er, daß sie nicht lernen könne? Dachte er, ein verkrüppelter Hirte, der zu alt war, seinen Herden nachzuziehen, wäre der beste Lehrmeister, auf den sie Anspruch erheben könne? Sie warf einen Blick auf sein verschlossenes Gesicht, und ihre Verwirrung wich einem zunehmenden Ärger.
    »Verlange ich von dir, daß du mir bestimmte Geheimnisse mitteilst?« erkundigte sie sich. »Weigerst du dich deswegen, mir etwas beizubringen?«
    Sofort wich Juaren ihrem verärgerten Blick aus und starrte zu Boden. Er malte mit dem Zeigefinger seltsame Figuren in den Staub. Er starrte mit zusammengepreßten Lippen darauf; endlich sagte er: »Ich habe nicht gesagt, daß ich dir nichts beibringen will. Aber ...«
    Er runzelte die Stirn; es schien, als suche er nach einer Möglichkeit, sprachliche Klippen zu umgehen. Er blickte auf zu ihr und sagte rasch, als müsse er die Worte schnell loswerden: »Bist du bereit, dich für eine komplette Folge der Jahreszeiten in meine Ausbildung zu begeben? Das fordert ein Meisterjäger von seinem Lehrling. Wenn wir zurückkehren, wenn wir getan haben, was wir vorhaben ... wirst du dann mit mir für die Dauer eines Jahres in die Berge gehen?«
    »Du ... du kannst mich anders nicht lehren?« erkundigte sie sich, gleichermaßen durch sein Verhalten und durch die Worte verwirrt. »Du bringst mir nicht bei, wie man Spuren liest, wenn ich mich nicht verpflichte, dein Lehrling zu werden?«
    Gehörte das zu den Regeln seiner Gilde? Und wieso war es plötzlich zu schwierig, mit ihm zu sprechen?
    Juaren zuckte unglücklich mit den Schultern und starrte wieder auf den Boden. »Das habe ich nicht gesagt.«
    Aber was sonst hatte er gesagt? Reyna machte sich nicht die Mühe, ihre Gereiztheit zu verbergen. »Du
hast
es gesagt. Genau das!«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich dir nichts beibringen würde«, beharrte er; er stieß die Worte beinahe ärgerlich hervor. »Ich habe dich nur gefragt, ob du für ein Jahr bei mir bleiben wolltest, wenn wir nach Brakrath zurückgekehrt sind.« Seine Haltung war angespannt, und er erwiderte ihren unmutigen Blick mit unübersehbarer Herausforderung. »Ich habe in deinem Palast gelebt. Ich habe von deiner Tafel gegessen. Ich frage dich jetzt, ob du in meinem Palast leben und von meiner Tafel essen willst. Ein Jahr lang.«
    Wie konnte er nur darauf beharren, etwas anderes gesagt zu haben, wo sie doch genau gehört hatte, was er gesagt hatte? Wie – da endlich verstand sie. Sie verstand genau, was er beabsichtigte und weshalb er es so taktlos vorgebracht hatte. Sie lachte ungläubig. Er verlangte von ihr, daß sie sich ihm für ein Jahr verpflichtete – nicht als Lehrling, sondern als Gefährtin. Und er benahm sich so förmlich und barsch, weil er dachte, daß sie es ablehnen würde.
    »Sag mir«, verlangte sie rasch, denn sie bemerkte, daß ihr Lachen sein Stirnrunzeln verstärkt hatte, »hättest du mich auf jeden Fall gefragt, ob ich mit dir gehen wollte, auch wenn ich dich nicht gebeten hätte, mir das Spurenlesen beizubringen?«
    »Ja«, sagte er endlich gespreizt. Der

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