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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Zahlen. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs …
    All das ließ sich aussprechen. Mit meiner Stimme. Laut.
    »Wer bin ich?«, fragte ich die Decke. Meine trockenen Lippen bewegten sich mit Mühe, meine Stimme hörte ich kaum, dennoch bescherte mir dieser Versuch prompt etliche neue Begriffe. Lippen, Zunge, Kehle, Atmung, Luft, Stimme.
    Wenn ich nur von hier weg könnte! Wenn ich mehr sehen könnte! Dann würde ich mich erinnern, mit Sicherheit würde ich mich an alles erinnern. Wer ich war und wie ich hierhergekommen war.
    Ein Knirschen. Ich drehte den Kopf. In der Wand ging eine Luke auf. Eine Luke – das ist etwas, durch das man hereinkommt. Sie war nicht sehr groß, ich müsste mich bücken, um durchzugehen.
    Durch die Luke kam ein Wesen in die Zelle. Ein vierbeiniges, armloses Wesen, mit einem langen spitzen Maul, schwarzem Fell und einem Schwanz. An seinem Hals schwabbelte ein Klumpen, der aussah wie ein bösartiger Auswuchs. Das Äußere des Wesens stieß mich ab und beunruhigte mich. Etwas extrem Unangenehmes verknüpfte sich mit diesem Wesen … Nein, nicht mit diesem einen Wesen, mit vielen von ihnen. Und es gab viele von ihnen, das wusste ich. Ich erinnerte mich nicht, aber ich wusste es …
    Ob auch ich …
    Ich riss den Kopf hoch und belinste meinen Körper. Nein, soweit ich es erkennen konnte, sah er völlig anders aus. Und normalerweise bewegte ich mich nicht auf allen vieren.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte das Wesen.
    Seine Stimme war wie Musik. Einfach deshalb, weil sie die Stille vertrieb.
    »Angespannt und verzweifelt«, antwortete ich. »Wer bist du?«
    »Ich bin Alari. Das ist nicht mein persönlicher Name, sondern die Bezeichnung meiner Rasse.«
    Seine Stimme kam anscheinend nicht aus seinem Mund, sondern aus dem Auswuchs am Hals. Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um einen Stimmsack oder Resonator.
    »Warum darf ich mich nicht bewegen?«
    »Du bist aggressiv«, erklärte mir der Alari. »Du hast großen Schaden angerichtet.«
    Schaden?
    Ein Feuer … ja, jetzt erinnere ich mich an ein Feuer. In der Dunkelheit, dort, wo es nie Feuer gab und nicht geben konnte, lodert eine Flamme auf. Scherben treiben mir entgegen, ich weiche aus, fliege davon …
    Ich kann also fliegen?
    … fliege davon, fliege durch das Dunkel und die Kälte, aber ich habe zu viel Kraft vergeudet, um diesen Schaden anzurichten, die Flamme zu entzünden, die Metall verbrennt, etwas zieht mich zurück …
    »Wer bin ich?«
    Der Alari knirschte mit den Kiefern. »Spiel nicht den Dummkopf! Du weißt genau, wer du bist! Und es wäre an uns, dir diese Frage zu stellen!«
    »Wisst ihr wirklich nicht, wer ich bin?«, hakte ich völlig ungläubig nach.
    Das Wesen trat einen Schritt zurück. Es reckte die Schnauze hoch zur Decke. »Eine unvorhergesehene Schwierigkeit …«, murmelte es.
    »Lasst mich frei«, bat ich. »Bitte. Ich werde mich erkenntlich zeigen. Ich werde euch keinen weiteren Schaden zufügen.«
    »Nein. Du bist gefährlich.«
    »Dann werde ich weiter hier liegen?«
    »Ja.«
    »Lange?«
    »Sehr lange.«
    Angst erwachte in mir.
    Nur das nicht!
    Ich konnte mich einfach an nichts erinnern, und ich würde nicht wieder ich selbst werden, solange ich in dieser winzigen Zelle vegetierte, ans Bett geschnürt, hilflos und unbeweglich.
    Ich wand mich abermals. Sofort spannte sich das Band fester um mich und verhinderte jede weitere Bewegung.
    »Ich habe Durst …«, sagte ich, sobald ich wieder zu Atem gelangt war.
    »Trinken ist erlaubt.«
    Das Wesen verschwand in der Luke. Ich wartete, denn die Luke blieb offen, doch es war nichts zu sehen, nur ein kurzer, halbdunkler Tunnel. Nach einer Weile kehrte der Alari zurück.
    Wie sich dabei zeigte, konnte er auch auf zwei Beinen gehen. In den Vorderpfoten trug er jetzt ein kleines Metallgefäß.
    »Das ist Flüssignahrung. Sie stillt Hunger und Durst.«
    Gierig trank ich einen Schluck aus dem an meine Lippen geführten Gefäß. Das Zeug schmeckte widerlich. Salzig-süß, eine dunkle, zähe Flüssigkeit, mit Klumpen drin …
    Aber ich musste zu Kräften kommen. Um mich zu befreien, brauchte ich Kraft.
    »Danke«, sagte ich, nachdem ich alles ausgetrunken hatte.
    »Du wirst gefesselt liegen bleiben und nachdenken«, teilte mir der Alari mit. »Wenn du Stoffwechselprodukte ausscheiden musst, informiere uns. Wenn du mitteilen willst, wer du bist, informiere uns.«
    »Ich weiß nicht, wer ich bin«, gestand ich verzweifelt. »Und wenn ich weiter hier rumliegen muss, wird es mir erst

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