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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Sternenstädtchen nur flüchtig zu Gesicht bekommen. Da war er jedoch ein ganz anderer Mensch gewesen. Konzentriert, entschlossen und offiziell. Wir hatten uns begrüßt, Danilow hatte mir ein paar aufmunternd-wohlwollende Worte gesagt, und ich hatte meinen Zug durch die Korridore der Bürokratie fortgesetzt.
    Jetzt saß ich neben einem nervösen, angespannten und eben deshalb geschwätzigen Mann. Mir fiel der junge Flieger ein, der stocksteif auf dem Photo neben meinem Großvater stand. Wahrscheinlich litt Danilow bis heute unter jenem Krieg, unter der Gefangenschaft, der Gefahr, erschossen zu werden. Diese Angst würde ihn nie verlassen, sie würde nie vergehen, die letzten zwanzig Jahre hatten sie lediglich tief in sein Inneres verbannt. Konnte es sein, dass mein Großvater das nicht wusste?
    Alexander Olegowitsch würde es schwer haben, wenn etwas schiefging.
    Nach und nach füllte sich das Flugzeug mit Menschen. Geschäftsleute mit ihren Geliebten, junge Beamte aus staatlichen Institutionen, die sich noch nicht daran gewohnt hat ten, mit dem Geld hauszuhalten, und ein paar Ausländer. Die Economy Class war ebenfalls gerammelt voll.
    »Ich erinnere mich da an eine Geschichte …«, bemerkte Danilow nachdenklich. »Vor einem Jahr ist der Co-Pilot der Welikoross , Shenja Leikin, wenige Stunden vor dem Start auf der Treppe ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen. Den Flug abzusagen hätte extreme finanzielle Einbußen bedeutet. Es gab jedoch keine anderen Piloten mehr. Sie sind dann so geflogen, zu zweit. Damit hätten wir also einen Präzedenzfall.«
    »Der Jump-Navigator ist wichtiger«, hielt ich nach kurzem Nachdenken dagegen.
    »Aber unser Flug ist noch dringender. Du hast doch eine globale Zulassung, oder, Petja? Als Pilot und Jump-Navigator für die kleinen Schiffe, als Co-Pilot und Jump-Navigator für mittlere und größere?«
    »Ja.«
    »Das sollten wir nicht vergessen«, sagte Danilow zufrieden und öffnete die zweite Flasche Wein.
    Ich lehnte mich im Sitz zurück. Gütiger Gott! Sicher, ein gebrochenes Bein ist ein geringeres Übel, als jemanden vom Starttisch zu stoßen.
    Aber fing ich jetzt schon an, das Übel abzuwägen?
    Es in ein größeres und ein kleineres zu unterscheiden?
    Die Maschine fuhr schneller und schneller, ich schloss die Augen und entspannte mich. Ich wünschte, ich würde einschlafen.
    Das gelang mir tatsächlich.
    Die Stewardess weckte mich nicht. Danilow ging da weniger taktvoll vor. Als man uns das Abendbrot – oder genauer gesagt: das Frühstück – brachte, rüttelte er mich am Oberarm. »Pjotr, das Essen …«
    Verständnislos schaute ich ihn an.
    »Produziere Magensaft, nimm Eiweiße und Kalorien zu dir …« Alexander öffnete mit übertriebener Sorge die Packung mit meinem Frühstück. »Dann wollen wir es uns mal schmecken lassen.«
    Wir aßen, wechselten ein paar bedeutungslose Sätze und schauten zum Fenster raus, hinter dem nur die Dunkelheit und der Widerschein der Signallichter am Flügel des Flugzeugs zu sehen waren. Das Dröhnen der Motoren wirkte hier, in der ersten Klasse, schwach und fern.
    »Wir müssen über Nowosibirsk sein«, vermutete Danilow. »Bist du schon mal hier gewesen?«
    »Als ich noch ganz klein war. Ich erinnere mich nicht mehr daran.« Ich presste die Lippen aufeinander.
    »Entschuldige …« Danilow begriff, bei welcher Gelegenheit, wenn auch zu spät. »Verzeih mir, Pjotr. Ich habe nicht mehr daran gedacht.«
    »Du musst ja auch nicht daran denken, wo meine Eltern ums Leben gekommen sind.«
    »Verdammt.« Der Oberst sah jetzt wirklich verlegen aus. »Manchmal bin ich wirklich ein Idiot.«
    »Vergiss es, Sascha. So was kann jedem passieren.« Ich reichte der Stewardess die durchsichtige Plastikschüssel, die ich nicht mal bis zur Hälfte geleert hatte. Man bekam hier ein allzu gutes Essen, der Kampf gegen das Kotelett und die Duelle mit den Salaten hatte mich erschöpft.
    »Ehrlich gesagt, erinnere ich mich selbst nicht mehr an meine Eltern.«
    Ich erhob mich und ging den Gang hinunter. Genauso waren meine Eltern damals wahrscheinlich auch geflogen … ruhig und sorglos. Sicherlich waren die Gänge schmaler gewesen, und es hatte nicht an jedem Platz einen Fernseher und ein Telefon gegeben. Ansonsten hatte sich aber kaum etwas verändert. Noch immer die Duraluminiumröhre mit den Flügeln und die Turbojettriebwerke. Noch immer dieselben zweihundertfünfzig, dreihundert Meter in der Sekunde. Lächerliche Werte, verglichen mit den kosmischen

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