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Sternenstaub (German Edition)

Sternenstaub (German Edition)

Titel: Sternenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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der Veste in sich zusammen fiel, sich auflöste, zerbarst. Eine Gesteinslawine ging in Richtung Heimstätte Otzberg nieder, auf die schreienden Menschen die durch den Krach geweckt wurden. Tonnen von Geröll und Erde, mitgerissenen Bäumen und Findlingen bewegten sich unerbittlich den Hügel herab auf die Heimstätte Otzberg zu. Es war wie eine letzte Armee. Einer mächtigen Flut-welle gleich drang sie auf die Heimstätte Otzberg ein und zerbrach sie, stemmte sich gegen die Häuser und Scheunen, bis sie zersplitterten. Sie rollte durch die Heimstätte und verschlang sie und alles Leben in ihr erstarb innerhalb weniger Stunden. Zu guter letzt begann die Stadt, dieser riesige Grabhügel, selbst zu wandern. Sie löste sich von ihrem angestammten Platz und glitt den Hügel hinunter in den dunklen See. Kein Bewohner des Ortes überlebte. Trotz allem, wenn die Legende die Wahrheit sagte, hatten alle überlebt. In gewisser Weise. Jetzt wurde die Veste  Otzberg als Heim des Grauens genannt, denn in be-stimmten Nächten kehrten die Toten zu dem Platz zurück, wo die Heimstätte einmal gestanden hatte. Hunderte von hexenden, hassenden, bösen Geistern. Und drunten im See ruhten unversehrt ihre Gebeine, jenes Bindeglied zur Welt der Lebenden. Angeblich entführten sie Lebende, ernährten sich von ihnen, mordeten sie. Sie rissen Gräber auf, sie übten Zauber aus. Das ganze Land um die unbewohnbare Veste und den Hügel auf dem sie stand, stank von Gräuel und mächtiger schwarzer Magie. Wenn nur etwas von der Legende stimmte, dann ist dies der verfluchteste Ort der bekannten Welt.
    „Ich weiß es“, sagte die blonde Frau. „Denn wer immer dort hingeht und sich die Veste zum Ziel setzt, kehrt nie -mals zurück.“
    „Ziemlich dumm, dort hinzugehen“, bemerkte Johannes. Seine Hände zitterten leicht, obwohl er genau die gleiche Geschichte, wenn auch mit kleinen Abwandlungen bereits früher gehört hatte.
    „Toran Lhusa geht dorthin. Und du.“
    „Ich? Bist du verrückt? Ich will mir dort nicht den Tod  holen. Ich meine n ur ...“
    „Es ist wie ein Zwang. Ich weiß es genau. Ich erlebte das bereits einmal. Es gibt immer einen Grund, eine Entschul -digung dafür, um eine Legende zu beweisen, an einem Kampf teilzunehmen, ein Gedicht zu schreiben oder ein Lied zu spielen, aber hier ist es der Ort selbst, von dem die Herausforderung ausgeht. Wie ein Kriegsspiel. Der ver-fluchte Ort mit seinem schlechten Ruf und den unausge-sprochenen Versprechen nach Schätzen und Reichtümern. Er hat schon ganze Abenteurergruppen zum Kampf geru-fen. Doch auch jetzt noch ergeht der Ruf an verschiedene Männer und Frauen, in ungewissen Zeiten.“
    „Du willst doch nicht andeuten ...“ , sagte Johannes.
    „Nein, nicht ich. Ganz gewiss ich nicht.“
     
         Johannes zog seine Harfe an sich, presste sie vor seine Brust und schlang die Arme um den hölzernen Körper.
    „Er ist heute morgen aufgebrochen“, sagte Marianne. „Und du wirst morgen aufbrechen. Du schuldest ihm noch was, nicht wahr? Er hat die Heilerin für deine Pflege bezahlt.“
    „Ich schulde ihm ein Messer zwischen die Rippen“, murrte Johannes.
    Marianne, Helferin der Heilerin lachte.
    Johannes sah sie erstaunt an.
    „Genau das waren auch seine Worte. Schlaf gut“, sagte sie. „Morgen, beim ersten Hahnenschrei werde ich dir ein Pferd bringen. Keines der Pferde von den Dörflern, son -dern mein eigenes. Und ich werde dir den Weg weisen. Wahrscheinlich findest du den Weg ins verfluchte Land auch allein. Wenn du dem Pferd die Zügel lässt, wirst du ihn morgen noch vor Sonnenuntergang einholen.“
    „Ich kann mir kein Pferd leisten“, sagte Joha nnes, wohl wissend, dass ihm diese Ausrede gut zustatten kam.
    „Ich verkaufe kein Pferd. Wenn du Toran Lhusa erreicht hast, musst du mein Pferd, es heißt Grashopper, ein wenig grasen lassen. Dann schickst du es zurück. Es kennt den Weg hierher zurück.“
    „Ich kann es mir genau so wenig leisten, ein Pferd zu mie-ten“, klang Johannes’ lahme Ausrede.
    Er hielt sein Instrument so fest , als wollte es ihm jemand gewaltsam entreißen. Seine Arme zitterten vor Anstren-gung.
    „Nein, keine Miete. Ich leihe es dir umsonst.“
    „Wo ist der Haken dabei?“
    „Du bist sehr argwöhnisch“, meinte Marianne.
    „Das lehrte mich meine Erfahrung.“
    „Dann wirst du diese Erfahrung wieder verlernen.“
    Sie lächelte ihn nachsichtig an, wie eine Mutter, die weiß, dass ihr Kind genau das tun wird, was sie von ihm erwartet.

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