Sternenstaub (German Edition)
Ihr Lächeln war wie ein Sonnenstrahl. Das Lächeln schien für einen Moment das kleine Zimmer zu erhellen, selbst das frühe Sonnenlicht verblasste. Dann verließ sie Johannes.
Johannes blieb, entsetzt über das was ihm bevorstand, lange Zeit steif und bewegungslos wie ein Brett auf seinem Bett sitzen. Er blickte hinaus auf den Hof, der nun gar nicht mehr friedlich aussah, sondern von drohendem Un-heil zu sprechen schien. Dann verebbte das Entsetzen lang-sam. Eine gewisse Selbstgefälligkeit machte sich in seinem Inneren breit. Die blonde Frau mochte ihn. Sie wollte ihm behilflich sein. Und was Lhusa anbelangte, warum sollte er sich nicht dessen Berühmtheit und Verruchtheit zunutze machen? Und was die Veste Otzberg anbelangte, das war nur eine wilde, romantische Schauergeschichte, genau das, was ein Spielmann wie er benötigte, um selbst zu Ruhm und Ansehen zu gelangen. Nicht zuletzt das wundervolle Lied, das er von der geisterhaften Heimstätte machen wür-de, von den zerfallenen Türmen, den Glühwürmchen, die in der Dämmerung flimmerten, den glühenden Augen der Nachttiere...
Das Lied nahm mit seinen ersten Strophen in seinem Kopf bereits Formen an. In seinen Fingern erwachte der Rhythmus, der sich langsam auf den Harfensaiten Gehör verschaffte. Die Suche war alles, was er brauchte. Eine hoffnungsvolle Reise. Aber natürlich nicht die Ankunft. Auf die konnte er gern verzichten, denn seine Phantasie würde schon ein ruhmreiches Ende erschaffen können. Besser als jede Wirklichkeit.
Er schlummerte ein und erwachte erst wieder am frühen Abend. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihm etwas zu essen zu bringen. Man hatte ihn einfach schlafen lassen, aber er fühlte sich wieder wohl. Gesund und selbstsicher, wie seit Tagen nicht mehr. Er schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Dabei stellte er fest, dass seine Beine ihn wieder zu tragen vermochten. Froh über seine neu ge -fundene Gesundheit stolzierte er durch den Raum. Lang-sam kleidete er sich wieder an und ging hinaus in das Ge-meinschaftshaus. Die Heilerin und ihre Helferin blickten wenig erstaunt von ihren Tellern auf. Es schien als hätten sie nur auf ihn gewartet.
Johannes setzte sich an den Tisch auf den einzigen freien Stuhl, nahm einen der Hühnerflügel vom Teller, etwas Brot und einen Becher voll goldgelben Apfelweins.
„Wirklich, mein Sohn“, sagte die alte Heilerin, „dir scheint es besser zu gehen.“
Er erhaschte einen Blick auf sein eigenes Gesicht, das sich in der polierten Fläche des Messingtellers spiegelte. Sein braunes Haar lag glatt an, und seine Gesichtszüge, wirkten noch etwas müde. Er sah aus wie der Prinz, der er schon immer sein wollte.
Die Wirklichkeit sah jedoch ganz anders aus. Sein Vater, der ihn immer mit einem Lederriemen verdrosch , war ein Schmied gewesen und hatte keinerlei Einsicht gezeigt, dass aus seinem Sohn ein Harfner werden würde. Seine Mutter hingegen sagte immer, sie hätte es ja gewusst. Mit diesen zarten Fingern könne man gar nichts anderes, als Harfner werden. Johannes setzte sich an den Tisch auf den einzigen freien Stuhl.
Nachdem er sich satt gegessen hatte, unterhielt er sich mit den beiden Frauen. Mitten in der Nacht, ging er, einem menschlichen Bedürfnis folgend, quer über den Hof. Dabei hatte er das Gefühl, von jemandem oder von etwas beob-achtet zu werden.
Er erwachte mit dem selbstgefälligen Gefühl ausgeruht und ausgeschlafen zu sein, fühlte sich ausgesprochen wohl. Er nahm seine Harfe und ging an den Brunnen, schöpfte ein wenig Wasser, trank für den ersten Durst und wusch sich mit dem kalten Wasser aus dem alten Holzeimer. Als er aufblickte, zeigte sich am Himmel erstes Morgenlicht, und die blonde Frau stand am Tor der kleinen Koppel. Dort tummelten sich ein paar Schweine im Pfuhl. Etwas weiter weg stand ein griesgrämiger Ziegenbock, der an einem Busch Blätter abzupfte. Marianne kam über den Hof auf ihn zu und drückte Johannes einen Apfel in die Hand. Die Symbolik ihrer Handlungsweise alarmierte ihn nicht. Er aß den Apfel mit Vergnügen. Die Tochter des Herzogs von Allendorf hatte einmal darauf bestanden, dass sie beide gleichzeitig einen Apfel verzehrten, der an einer Schnur von einer Decke herunterhing. Das war ein ziemlich spaßiges Unternehmen gewesen. Ein paar Mal waren ihm ihre Zäh-ne gefährlich nahe gekommen. Er hatte Angst gehabt, ge-bissen zu werden. Es war ein ulkiges Pfänderspiel gewesen. Wer den letzten Bissen
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