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Sternenstaub im Kirschbaum

Sternenstaub im Kirschbaum

Titel: Sternenstaub im Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thariot
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Väter zuvor nur von den Gaben der Natur lebten. Der selige Großherzog hatte den Ginkgo persönlich ihren Sonderstatus verliehen. Kardone war deswegen eine Freizone, in der die Gerichtsbarkeit der Spruchwirker nicht gültig war und nur das Recht der Ginkgo zählte. Hisperis Greisenhaupt lebte in Kardone wie ein König, er propagierte freie Liebe, verbot jegliche Kleidung und heiratete in einem Akt übernatürlicher Manneskraft alle sieben Töchter des Häuptlings in einer Nacht. Damit hatte er die Herzen der Ginkgo gewonnen, musste im Winter nicht frieren und wurde nach dem Tod des Häuptlings selber zum Anführer berufen.
     
    »Kardone liegt auf der anderen Seite«, stellte Cardamine nach zwei Stunden Fußmarsch nüchtern fest und blickte über einen schnell fließenden Wasserlauf, der reichlich Schmelzwasser aus den nahen Bergen in die Täler brachte. Meister Tulpenmohn, Musa und das Orakel waren ihr gefolgt.
    »Hier kommen wir nicht rüber. Wir folgen dem Wasserlauf weiter nach Süden.« Cardamine hatte wenig Interesse , den halben Bach leer zu saufen. »Da kommt gleich eine Brücke.«
    »Etwa die alte Hängebrücke?«, fragte Musa erschrocken. Die Hängebrücke war ein in ganz Begonien bekanntes , historisches Baudenkmal. Leider sah man ihr das auch an. Sie überspannte den Bergbach über gut zwölf Längen und war aus Seilen und gebundenen Brettern gefertigt.
    »Die Brücke? Schwimmen? Oder drei Tage laufen? Such es dir aus«, schmunzelte Cardamine, sie hatte Musa genau dort, wo sie ihn haben wollte.
     
    Musa wählte die Brücke, vor der sich das Quartett auch kurze Zeit später einfand und ehrfürchtig über den Bergbach blickte. Das Rauschen des Wassers zwischen den Stromschnellen übertönte alles. Meister Tulpenmohn zeigte sich derart beeindruckt, dass er sofort wieder anfing zu graben, während das Orakel aufgeregt um ihn herumkreiste.
    »Ich prüfe die Brücke«, rief Cardamine und lief vor. Das Holz war morsch, die Taue hielten oft nur noch Bindfäden und um den sicheren Absturz zu überleben, sollte man besser kein Lebender mehr sein. Die Brücke war perfekt.
    »Und?«, fragte Musa unsicher.
    »Die Brücke ist sicher«, rief sie und hopste vor Freude spielerisch umher. Sie konnte nichts dagegen tun, das war der Hund in ihr. Gleich würde sie wieder frei sein, dann würde sie sich das Orakel mal so richtig vornehmen.
    »Wir kommen ...« Musa hatte seinen Meister an die Hand genommen und ging los. Das Orakel saß dabei sichtlich vergnügt auf dessen Schulter und quiekte im Takt.
     
    »Sie wollte Musa ertrinken lassen?«, fragte seine Enkeltochter entrüstet.
    »Nein. Zuerst sollte er auf der morschen Brücke einbrechen.«
    »Und dann?«
    »Dann sollte er ertrinken.«
     
    Im Kopf von Cardamine entfesselte sich ein dramatisches Schauspiel. Musa brach nach nur wenigen Schritten ein und stieß sich schmerzlich das Knie. Durch dessen ungeschickte Bewegungen zerbarsten weitere Bretter, deren Holzsplitter in Zeitlupe an ihrem geistigen Auge vorbeiflogen und ihn dabei unter verzweifelten Unglücksbekundungen spickten wie ein Nadelkissen. Natürlich rissen durch das Gehampel jetzt auch die Führungsseile, die Musa zuerst wie Peitschenhiebe strafend trafen und sich anschließend wie von Geisterhand geführt um seine Hände und Füße legten. Womit sich wiederum auch die restliche Brückenstatik in Wohlgefallen auflöste und das ganze Bauwerk als Riesenknäuel aus Brettern, Seilen und einem schreienden Musa in der Mitte in den gierig wartenden Bergbach stürzte.
    Der Plan schien perfekt. Musa ging los. Sein Meister befand sich neben ihm. Die Bretter der Brücke ächzten ähnlich wie ihr verblichener Ehemann in der Hochzeitsnacht.
    »Musa ... da vorne! Vorsicht!« Mit geschickten Manövern bugsierte Cardamine ihn gezielt auf die marodesten Stellen der Brücke. Musas Körperfülle und die Schwerkraft sollten es nun mühelos regeln.
    »Und jetzt ... zwei Schritte zurück!«
    »Bist du dir sicher?«, fragte Musa sichtlich verängstigt.
    »Und einen nach links.«
    »Die Brücke wird doch seit Jahren nicht mehr genutzt.«
    »Papperlapapp. Ich bin der Himmlische Diener. Ich weiß Bescheid. Geh weiter!«
    Musa tat wie ihm geheißen. Mit Meister Tulpenmohn an der Hand und einem gutgelaunten Orakel auf der Schulter folgte er ihren mörderischen Anweisungen. Und auch wenn sich die Brücke akustisch alles andere als solide zeigte, das Gebälk hielt überraschend gut. Als ob ihnen eine höhere Macht Schutz gewährte, kamen

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