Sternenstaub
wahrnehmen konnte. Den Blick nach innen gerichtet, orientierte er sich. »Sie sind wieder in der Siedlung.«
Ich nahm meinen Kopf von seiner Schulter. »Von wem sprichst du?«
»Mein Clan«, antwortete er, ohne wirklich anwesend zu sein. »Als ich sie das letzte Mal gesprochen habe, waren sie noch unschlüssig, ob es zu gefährlich wäre, heimzukehren.«
»Woher weißt du dann, wo sie sind?«, fragte ich.
Eine Pause entstand. Schließlich antwortete Finn an seiner Stelle. »Ein Wächter findet immer zu seinem Clan.«
Wir fuhren weiter und Lyra bekam den gleichen in die Ferne gerichteten Blick, dann erhellte sich ihr Gesicht und ihr goldenes Leuchten schien aus den Augen auf. »Mein Clan ist auch zu Hause«, verkündete sie. Okay, das verriet, dass wir ganz in der Nähe ihrer Siedlungen waren. Ich wusste, dass der Clan der Stolzen und die Leidenschaftlichen sowie Finns Clan der Besonnenen Nachbarn waren.
Finn runzelte die Stirn. »Ich fühle meine Leute noch nicht.«
Still lenkte Skyto den Laster über die Straße, und in diesem Moment übermannte mich mein Mitgefühl dermaßen, dass Iason mir einen überraschten Blick schenkte. Außer den Wächtern gab es niemanden, der hier auf Finn warten würde. Er war der alleinige Überlebende seines sonst komplett ausgelöschten Clans. Seither waren die Wächter die einzige Familie, die er noch besaß. Wo würde er hingehen, wenn die anderen zu Hause waren?
Iason klopfte gegen die Scheibe, die uns von der Fahrerkabine trennte, und zischte Skyto etwas auf loduunisch zu, scheinbar, dass wir aussteigen wollten, denn er hielt an.
»Wir sehen uns, Ias!«, verabschiedeten sich die anderen und Lyra fügte mit erhobenen Daumen hinzu: »Viel Glück, Mia.«
Iason hob die Hand und ich winkte ihnen zum Abschied.
»Sag mal, seit wann nennt ihr euch eigentlich mit Spitznamen?«
Iason grinste jungenhaft. »Das haben wir uns von euch auf der Erde abgeguckt. Lyra hat damit angefangen. – Komm, hier geht’s lang.«
Staunend schweifte mein Blick über den dicht bewachsenen Urwald, soweit es die verschlungenen Äste und Gräser zuließen. Die Schönheit aller vorstellbarer Welten war hier vereint und noch mehr, denn hier schillerte alles in geradezu unwirklichen Farben. Ein regelrechtes Wunderwerk, abgerundet von einzelnen Stellen, an denen das Licht der beiden Sonnen durchblitzte. Ganz anders als der karge Canyon, wo sich das Fort befand. Nur der Himmel war gleich, konnte ich durch einen schmalen Schacht in den Blattkronen erkennen. Dort sah ich die beiden Sonnen und gleichzeitig die vier Monde, von denen einer unheimlich nah an den Blattkronen aufging. So, als würde er sie jeden Augenblick streifen. Also diese apokalyptische Vorstellung wollte ich lieber nicht in echt erleben. Ich hörte ein schrilles Kreischen, das lauter wurde und näher zu kommen schien. Was war das?
»Sieh dir das an!«
Iason platzierte sich hinter mir und legte seine Arme um mich. Gemeinsam blickten wir nach oben zu den umeinanderwirbelnden Wolken, deren jadegrüne Farbe vom grellen Licht der Sonne durchschienen wurde. Kurz darauf flog eine Schar riesiger schwingender Flügelpaare über uns hinweg. Sie sahen aus wie orangerote Drachen. Mit Hörnern auf der Nase und ihren tiefschwarzen Augen blickten sie zu uns hinab und verschwanden dann wieder kreischend im Schutz der gigantischen Bäume. Zurück blieb nur der nun orangene Himmel. »Wahnsinn, wie schnell euer Himmel die Farbe wechselt.«
Er legte die Wange an meine und schickte mir eine mentale Berührung, die weich und zart war. »Manchmal ist er auch voll von unterschiedlichen Farben.«
Ein leises Rascheln erreichte uns von der Seite. Aber so ruhig, wie Iason blieb, stammte es wahrscheinlich von einem harmlosen Tier.
Wir gingen an einem Fluss entlang, der sich durch eine eher weitläufige Landschaft schlängelte, die nur von niedrigen Pflanzen bedeckt war. Ihre Blätter allerdings besaßen die Größe von Esstischen, die sich schimmernd, wie alles hier, im leichten Wind bewegten. Die Umgebung war total unterschiedlich. Links erstreckte sich eine Art Mangrovenwald, dessen weitläufige Äste gekreuzte Schatten über das Wasser warfen. Und wenn ich nach rechts blickte, konnte ich am Horizont Berge erkennen.
»Wie weit ist es noch bis zu deinem Clan?«
Er verschränkte seine Hand mit meiner. »Geduld, mein Stern.« Er schob einen Zweig zur Seite, der über dem Weg hing.
Als wir weitergingen, fragte ich ihn: »Sag mal, hast du deinen Dad eigentlich
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