Sternenstürme
elektrischen Heizung spürte er den kalten Wind durch das Gewebe seines Anzugs.
Zwei Wochen später hingen Lisa Rykand die Besuche der Bauernhöfe und das Probieren außerirdischer Lebensmittel gründlich zum Hals heraus. Sie hatte sich bisher zwar keine Lebensmittelvergiftung eingefangen, aber das Zeug war nicht nach ihrem Geschmack. Außerdem war sie es leid, ständig zu frieren – trotz des Parkas, den sie über der gelben Springerkombi trug. Obwohl Pastols Schwerkraft niedriger war als die irdische, war der Luftdruck um siebzehn Prozent höher als auf der Erde – das Ergebnis eines geringeren Masseschwunds bei der Entstehung des Planeten Pasol. Das verlieh dem Wind eine Geschwindigkeit und Kraft, wie sie sie noch nicht erlebt hatte. Und er saugte die Körperwärme regelrecht ab.
Die Sinnhaftigkeit des Federkleids der Ranta erschloss sich ihnen gleich am ersten Tag, als sie eine der Farmen besichtigten. Verglichen mit dem Wind an diesem Tag wäre ein böiger irdischer Wind ein laues Lüftchen gewesen, obwohl die Einheimischen ihr versicherten, dass die Windstärke durchaus normal sei. Wo sie sich zum Schutz vor der Kälte einmummte, trugen ihre Reiseführer wenig mehr als das, was sie insgeheim als ›griechische Tunika‹ bezeichnete. Aber sie schienen sich pudelwohl zu fühlen. Und dann bemerkte sie, dass ihre Federn geplustert waren – und nicht nur vom Wind. Wie die Vögel zu Hause waren auch die Ranta imstande, die Isolierung des Körpers durch ein Aufplustern des Gefieders zu regulieren.
Die Ranta-Farmen, die sie besuchten, waren allesamt landwirtschaftliche Musterbetriebe. Die Feldarbeit vom Pflügen bis zur Ernte der vielfältigen Feldfrüchte war automatisiert. Das geerntete Getreide wurde in riesigen Silos gespeichert, die wahre Wolkenkratzer waren.
Anstatt ihnen die verschiedenen Produkte nur zu präsentieren und sie damit zu verköstigen, bestanden die Ranta darauf, ihnen auch die Herkunft der Erzeugnisse zu
zeigen. Das hatte die Besichtigung zahlreicher Farmen zur Folge, von denen jede eine Art Freilichtmuseum für Besucher darstellte. Lisa bezweifelte jedoch, dass jede Farm auf Pastol so herausgeputzt war, und hegte vielmehr den begründeten Verdacht, dass es sich dabei um eine Marketingtaktik handelte. Ihre Sprachkenntnisse wurden nur dahingehend gefordert, die Erzeugnisse der Farmer über den grünen Klee zu loben, auch wenn das Zeug ihr vom Geschmack oder vom Geruch her überhaupt nicht zusagte.
Es gab ein Gewächs, das wie Heu aussah, aber wie Zimt roch und den Ranta als Futter für ein domestiziertes Tier diente, das wie eine Kuh auf sechs Beinen anmutete. Lisa probierte das Heu und erklärte dann, dass ihre Spezies nicht die richtigen Mikroorganismen im Verdauungstrakt beherbergte, um die Zellulose zu assimilieren. Ihr Reiseführer an diesem Tag hatte aus seiner Enttäuschung kein Hehl gemacht, aber auch sein Verständnis bekundet. Wie seine sechsbeinige Kuh war auch der Landmann ein Vegetarier.
Sie fragte ihn, weshalb er überhaupt Tiere züchtete, wenn er sie nicht verzehren wollte. Seine Erklärung ergab für sie wenig Sinn. Leider galt das auch für die meisten anderen Erklärungen, die sie von den Ranta bekam. Es hatte sich schon früh gezeigt, dass die beiden Spezies keinen gemeinsamen Nenner für viele Dinge hatten, über die sie sich zu verständigen versuchten.
In einer Hinsicht bestand jedoch Klarheit: Die Vorstellung, das Fleisch eines Tiers zu essen, erschien den Ranta völlig abwegig. Ihre Reaktion war mit der eines Menschen zu vergleichen, der auf Kannibalen stieß. Die Bodentruppe hatte das gleich schon am ersten Tag erkannt, als Essenszeit war und sie ein paar sich selbst erhitzende Rationen fürs Abendessen geöffnet hatten. Drei von diesen Rationen enthielten Fleisch. Als die Essensgerüche die ihnen zugeteilten Unterkünfte erfüllten, suchten ihre Betreuer mit
der Begründung das Weite, dass ihnen bei dem Geruch übel wurde. Seitdem hatten sie sich überwiegend von kalten Rationen in Form von Früchten und Gemüse ernährt.
Je mehr Besichtigungstouren im Hinterland sie unternahmen, desto mehr Sorgen machte Lisa sich wegen ihrer Mission. Sie mussten mindestens ein Nahrungsmittel auf dieser Welt finden, von dem sie glaubhaft behaupten konnten, dass es eine kulinarische Sensation im fiktiven Troja wäre. Leider wussten die Ranta so gut über ihre Biochemie Bescheid, dass sie sich das hiesige Heu mit Zimtgeschmack nicht einfach in den Mund stopfen und ›mmmh,
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