Sternenstürme
starteten und einem exakten Routen- und Zeitplan zum Ziel folgten, müssten beide in relativer Nähe zueinander an der Peripherie des Gamma-Systems herauskommen. So bestand der einzige Unterschied in der Routenplanung auch nur in einem leichten Zeitversatz, um zu verhindern, dass sie nach dem Ausbruch miteinander kollidierten. Der Gefahr einer Kollision mit dem Schutt der Oort’schen Wolke vermochten sie jedoch nicht vorzubeugen.
Aus diesem Grund beschleunigte der Herzschlag von Mark – und wohl auch aller anderen – mit jeder Sekunde, die sie näher an Gamma heranführte. Die Oort’sche Wolke eines Sterns ist der Bereich der massiven gefrorenen ›Schneebälle‹, die eines Tages vielleicht als Kometen ins innere System vorstoßen.
Die Wolke war riesig und erstreckte sich fast im Radius von einem viertel Lichtjahr vom Zentralgestirn des Systems. Ihre Masse war größer als die Masse des Sterns und aller Planeten zusammen. Weil die Oort’sche Wolke jedoch einen
Raum von mehreren Milliarden Kubikkilometern ausfüllte, enthielten manche Abschnitte nicht mehr Materie als die Leere zwischen den Sternen.
»Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Eisberg zu kollidieren, tendiert gegen null, Captain Smith!«
Mark wurde sich der Ironie dieser Aussage bewusst, kaum dass er sie formuliert hatte. ›Captain Smith‹ war nämlich der legendäre Edward John Smith, Kapitän des mythenumrankten historischen Überseedampfers, der glücklosen Titanic . Zweifellos hatte Smith’ Navigations-Offizier ihm die gleiche Zusicherung gegeben wie Mark soeben dem Kommandanten der New Hope .
»Kein Grund zur Besorgnis, Captain«, hatte er auf eine entsprechende Anfrage gesagt. Natürlich hatte er sich dann doch Sorgen gemacht.
»Zehn Sekunden bis Ausbruch!«, erfolgte Marks Durchsage. »Fertig werden.«
Die Sekunden verstrichen, und dann war das Sichtfenster plötzlich nicht mehr schwarz. Das heißt, es war nicht mehr pech schwarz. Eben bewegten sie sich noch mit Überlichtgeschwindigkeit und lauschten dem Summen des Sternenantriebs, und im nächsten Moment wurden sie wieder ins ›richtige‹ Weltall katapultiert. Sie alle wurden von den Sicherheitsgurten zurückgehalten, als im Schiff wieder die Mikrogravitation Einzug hielt. Marks Magen reagierte wie immer auf die Illusion des plötzlichen Falls. Zum Glück hatte er nur ein leichtes Frühstück gehabt.
Der Computer brauchte ein paar Sekunden für die Suche nach dem lokalen Stern. Als er ihn dann gefunden hatte, richtete er eine der Rumpf-Kameras in diese Richtung aus.
Dieser Stern machte nicht viel her – zumindest nicht aus einer Perspektive weit jenseits des äußersten Planeten dieses Systems. Er war kaum heller als die anderen Sterne
im Sichtfenster, ein dimensionsloser Diamant, der stetig am schwarzen Firmament leuchtete.
Gamma schien verwaist. Und doch lag irgendwo im von der Außen-Kamera erfassten Raumsektor eine bewohnte Welt, mindestens zwei Sternentore und – vielleicht – die ganze ›abgefuckte‹ broanische Weltraum-Marine!
»Ausbruch abgeschlossen. Alle Systeme im grünen Bereich«, meldete Mark.
»Sehr gut, Herr Rykand«, erwiderte Captain Harris. »Protokollieren Sie unsere Ankunft im Logbuch. Herr Campano! Bremsmanöver einleiten. Frau Sopwell! Führen Sie einen Infrarot-Scan der näheren Umgebung durch. Suchen Sie mir eine Eiskugel, die groß genug ist, um sich dahinter zu verstecken.«
Der Normalraum-Navigator und die Sensoren-Bedienerin bestätigten die Anweisungen. Der Normalraum-Antrieb wurde aktiviert, und das Schiff nahm mit hoher Geschwindigkeit Kurs auf den Stern, während das Gewicht zurückkehrte.
»Kommunikation!«
»Ja, Captain?«, kam die Antwort aus der Kommunikationszentrale des Schiffs.
»Bestreichen Sie das Zielgebiet mit dem Kommunikationslaser. Achten Sie aber darauf, dass Sie den Stern in einem Winkel von über dreißig Grad anpeilen. Machen Sie Meldung, sobald Sie eine Antwort bekommen.«
»Aye, aye, Sir.«
Die allgemeine Spannung ebbte ab und wich wieder dem alltäglichen Hochbetrieb an Bord eines Raumschiffs. Die nächsten paar Stunden – oder Tage – wären der Suche nach einem Punkt gewidmet, von dem aus sie dieses System auszuspähen vermochten. Mit dem wandernden Laserstrahl wollten sie die Galloping Ghost ausfindig machen. Um die Einheimischen nicht auf sich aufmerksam
zu machen, benutzten sie anstelle eines Radarstrahls den gebündelten Strahl eines Kommunikationslasers und hofften, die Ghost damit zu ihrer Position zu
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