Sternenzauber
»Ganz schön waghalsig von Clemmies Eltern.«
»Stimmt gar nicht!« Clemmie wurde rot. »Ich habe nichts Derartiges gesagt! Ich wurde überhaupt nicht dort gezeugt! Mum und Dad haben sich dort nur verlobt, das war alles.«
»Ach so.« YaYa gluckste erneut. »Ich wusste ja, dass es irgendwas in dieser Richtung war. Tut mir leid, Süße. Dann war beschwipstes Rauchen also wohl doch das einzige Geständnis.«
»Ja, aber da ich nicht oft beschwipst bin, rauche ich eigentlich so gut wie nie und …«
»Ist schon okay«, warf Guy ein. »Lass dich von YaYa nicht aufziehen, ich trau Typen, die sich als Tugendbolde darstellen,
sowieso nicht. Ich mag lieber Leute, die zugeben, menschlich zu sein. Und wir haben doch alle unsere kleinen Laster. Auch ich, ob du es glaubst oder nicht.«
YaYa prustete.
»Ich hatte eigentlich gar nicht vor, mit YaYa übers Rauchen zu sprechen«, sagte Clemmie, besorgt, Guy könnte womöglich denken, sie würde sich gewohnheitsmäßig mit der Kippe im Mund ins Koma saufen und läge jedes Wochenende mit der siebenundachtzigsten Flasche Alkopop in der Hand und dem Rock als Halskrause irgendwo im Rinnstein. »Mir liegt sonst sehr an Diskretion, was mein Privatleben betrifft.«
»Diskretion?« Guy steuerte über einen weiteren kühlen Hof auf ein klotziges Gebäude aus Gasbetonsteinen zu. »Nun, das ist in dieser Firma sehr von Vorteil. YaYa allerdings kennt keine Diskretion, nicht einmal, wenn die sich ihr höchstpersönlich und mit Namensschild am Revers vorstellen würde. Indiskretion ist ihr Markenzeichen. Schön, nun also zurück zum Geschäft. Diese Lagerräume sind unser Hochsicherheitstrakt; aber keine Sorge, du wirst nicht hier reingehen müssen, wenn ich nicht da bin.«
Clemmie versuchte, mit Guys großen Schritten mitzuhalten, und fröstelte, als der kalte Nebel vom Fluss herüberwehte, der wie ein graues, gewundenes Band seitlich hinter den Nebengebäuden entschwand und mit widerhallendem Getöse über das den Blicken entzogene Wehr davonfloss.
»Die Gewerbeaufsicht hat uns ständig auf dem Kieker«, sagte Guy, als sie den nächsten Schuppen erreichten und er mehrere Riegel und Sicherheitsschlösser aufsperrte. »Man gewöhnt sich an ihre Besuche. Es gibt für Feuerwerksfirmen mehr pingelige Sicherheitsvorschriften als für jedes andere Gewerbe im Land. Deshalb lebe und arbeite ich lieber weit weg von bebauten Gebieten – nur für den Fall, dass mal ein Unfall passiert. Wie du
sehen kannst, haben diese Lageräume vorschriftsgemäß massiv gebaute dicke Wände und ein sehr dünnes Dach.«
Clemmie machte ein erstauntes Gesicht.
»Im schlimmsten Fall«, erklärte YaYa, »wenn es zu einer Explosion kommt oder irgendein Irrer einbricht und die Lagerbestände oder sonst was anzündet, gehen die Feuerwerkskörper alle nach oben los und jagen das Dach hoch. Die dicken Wände sorgen dafür, dass die Explosion nicht zur Seite geht, und das windige Dach hebt beim ersten Knall ab, auf diese Weise wird verhindert, dass sich der ganze Ort hier in einen riesigen Feuerball verwandelt.«
Clemmie nickte. Das leuchtete durchaus ein.
»Fantastisch!« In hellem Entzücken betrachtete sie die bis zur Decke gestapelten Kisten. »Das ist ja schöner als freier Eintritt in die Schokoladenfabrik!«
Sie merkte, dass Guy und YaYa sie wohlwollend amüsiert beobachteten, wie stolze Eltern, die vergnügt an der Freude ihres Kindes teilhaben, das zum ersten Mal Schnee sieht.
Raketen, Mehrschüsser, Bomben, Feuerwerksbatterien, Mörserkästen, Römische Lichter, Sonnen und Feuertöpfe – Hunderte und Aberhunderte verschiedene Versionen von Großfeuerwerken waren in prächtig farbenfrohen Kisten vom Boden bis zur Decke gestapelt.
»Wir verkaufen manchmal einzelne Feuerwerkskörper oder Sortimente mit kleineren Römischen Lichtern und Raketen direkt an Kunden«, sagte Guy, »aber diese choreographierten Feuerwerke hier sind unser hauptsächliches Handwerkszeug für Party-Aufträge. Eine deiner Aufgaben wird darin bestehen, dafür zu sorgen, dass von allem immer genug da ist. Ich hasse es, einen Auftrag ablehnen zu müssen, weil wir nicht vorrätig haben, was der Kunde wünscht.«
YaYa schauderte sichtlich. »Ich weiß ja nicht, wie es euch
beiden geht, aber ich friere. Und ich schätze, Clemmies Informationsverarbeitungskapazität dürfte erschöpft sein. Sie wird reichlich Zeit haben, alles Nötige zu lernen, wenn sie erst mal hier arbeitet.«
Guy nickte. »Okay. Vielleicht sollten wir jetzt essen – ich
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