Sternenzauber
wenn die Mädels zu uns kommen, werden wir dich nicht ausschließen und Polari sprechen.«
»Polari?«
»Das ist eine alte Form von Schwulenslang, die gerade wieder in Mode kommt. Die Sprache der Travestieszene – ach, hallo ihr Lieben! Das ist Clemmie, das süße neue Mädchen bei Guy, von dem ich euch erzählt habe. Clemmie, diese Blondine ist Honey Bunch, und Foxy ist der Rotschopf.«
»Hallo – oh!« Clemmie hatte den beiden die Hand geben wollen, doch stattdessen wurde sie unversehens zweimal innig umarmt und in eine doppelte Lage feinster exotischer Parfümwolken gehüllt.
Dem folgten jede Menge begeisterter Ausrufe über ihr nostalgisches Kleid und ihre Ohrringe, und es wurde beschlossen, weitere Getränke zu besorgen: »Hol gleich mehrere Flaschen, Süße – das ist bequemer, als jedes Mal hin und her zu laufen.« Und Foxy wurde dazu ausgesandt.
Nachdem alle zusammengelegt hatten und die Getränke auf dem Tisch standen, ergötzten sich YaYa, Foxy und Honey Bunch an einem Schwall von Klatsch und Skandalgeschichten. Clemmie nippte an ihrem Champagner, genoss das Perlen der Bläschen auf ihrer Zunge und fand dieses horizonterweiternde Erlebnis in allen Aspekten einfach herrlich.
YaYa beugte sich vor. »Ich hab Honey gerade erzählt, dass du die Drags nicht von den Weibern unterscheiden kannst. Sie
meint, das liegt daran, dass wir alle hier erstklassige Transvestiten sind. Du solltest dich mal in den etwas billigeren Clubs umsehen. Schon traurige Gestalten – so nuttenhaft, mehr Clowns als Queens.«
»Das ist eine ganz neue Welt für mich«, räumte Clemmie ein. »Und ich habe wohl immer angenommen, dass Dragqueens sich nur, na ja, verkleiden, wenn sie auf einer Bühne auftreten.«
»Verkleiden?«, erwiderte YaYa mit gespieltem Tadel. »Sag niemals ›verkleiden‹. Wir enthüllen unsere innere Herrlichkeit. Ich genieße es einfach, eine Frau zu sein. Für andere ist es Showbusiness.«
Gerade als Clemmies drittes Glas Champagner Wirkung zeigte, unterbrach der DJ Ella Fitzgerald, um zu verkünden, er mache in einer halben Stunde weiter, und nun begänne die Show, sodass YaYa sich weitere Enthüllungen für später aufheben musste.
Honey, Foxy und YaYa zogen erwartungsvoll die hauchfeinen Augenbrauen hoch.
»Das wird richtig gut«, zischte YaYa. »Diese Mädels sind Partner und große Klasse. Die beiden haben keine schlechte Gloria-Gaynor-Imitation oder miese anzügliche Witze nötig. Du wirst hingerissen sein, Clemmie!«
Clemmie, leicht beschwipst und in freudiger Hochstimmung, war überzeugt davon.
Die erste Travestienummer, die himmlischen Zwillinge Halo und Aura – mit bleichen Gesichtern, riesigen dunklen Augen und hüftlangem weißblondem Haar – schlängelten sich auf die Bühne in silbernen Stöckelschuhen und prächtigen rüschenverzierten Engelskostümen, die sie zu einer sehr sinnlichen Interpretation von Robbie Williams’ »Angels« mit anmutigen aufreizenden Bewegungen nach und nach ablegten.
Nach ohrenbetäubendem Applaus und einem blitzschnellen Kostümwechsel kamen sie nur in durchsichtigen Büstenhaltern und Tutus zu beinlangen silbernen Stiefeln wieder und brachten das Rinky-Dink mit einer anzüglichen Parodie auf Wizzards »Angel Fingers« zum Rocken.
Clemmie stand auf, schwenkte die Arme und klatschte in die Hände wie alle anderen auch, und als Halo und Aura ihre eigene Fassung von »Heaven Must Be Missing an Angel« zum Besten gaben, war die Tanzfläche rappelvoll. Schließlich beendeten die himmlischen Zwillinge, nachdem sie in Lichtgeschwindigkeit in ein drittes Kostüm gewechselt hatten, ihren Auftritt mit einer wehmütigen Soulfassung von Louis Armstrongs »Heavenly Music«, und als sie die Bühne verließen, tobte der ganze Club.
Mannomann, dachte Clemmie leicht benommen, ich wusste ja gar nicht, was mir entgeht.
Der DJ kehrte zurück, diesmal mit einer etwas flotteren Auswahl an Discomusik, und die Tanzfläche füllte sich im Nu wieder. Entgegen ihrer vorherigen Beteuerungen hatte sich YaYa nach draußen geschlichen, um eine Zigarette zu rauchen und »nach Suggs zu sehen«.
»Komm mit.« Honey Bunch nahm Clemmies Hand. »Lass uns tanzen.«
Das glaubt mir Phoebe nie im Leben!, dachte Clemmie, als sie kurz darauf zwischen Honey und Foxy zu einem laut dröhnenden Kylie-Song wild herumwirbelte.
Dann schlossen sich ihnen plötzlich zwei noch extravaganter gekleidete Dragqueens an. Zumindest hielt Clemmie die beiden für Dragqueens, so aufgetakelt wie sie waren.
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