Sternenzauber
Clemmie lächelte ihnen zu und dachte, dass die zwei in ihren identischen rosa und lila Spitzenkleidern hinreißend aussahen. Die Kleiderwahl wies hoffentlich auf ihre Zusammengehörigkeit als Paar hin
und hatte nichts mit so einem furchtbaren »Wir-tragen-diegleichen-Kleider-Trip« zu tun, auf dem sie und Phoebe früher mal gewesen waren.
»Das sind Campari und Cinnamon«, stellte Honey die beiden Clemmie ins Ohr schreiend vor, während sie alle wild und ausgelassen zu »Uptown Girl« herumhüpften, die Röcke hochschwangen, mitsangen, sich in Pose warfen und mit den Armen wedelten. »Von den Dancing Queens.«
Clemmie lächelte noch mehr. Jede Unterhaltung war unmöglich. Dann kam YaYa zurück, küsste Campari und Cinnamon und sie formten alle zusammen einen Kreis und tanzten gemeinsam mit hohen Beinwürfen zu »I Should Be So Lucky«.
Gerade als Clemmie glaubte, nun würden ihr bestimmt gleich die Knie einknicken, kündigte der DJ Midnight an – das war die nächste Bühnennummer, begriff Clemmie, und keine Zeitansage – und in einer Flutwelle von Elasthan und Pailletten leerte sich die Tanzfläche.
»Kommt mit zu uns«, schrie YaYa Campari und Cinnamon zu. »An unserem Tisch können wir noch zwei reinquetschen.«
Noch mehr Getränke kamen, als sich die Mädels laut, lachend und übermütig um den Tisch versammelten.
»Der nächste Auftritt wird dich umhauen«, rief YaYa Clemmie ins Ohr. »Midnight ist ein echter Star. Wir können uns glücklich schätzen, dass sie heute Abend hier ist.«
Das Rinky-Dink tobte, als Midnight, eins achtzig groß, schwarz, wunderschön, mit einem Wasserfall ebenholzfarbener Locken, auf die Bühne stolzierte und aus voller Kehle singend einen fast einstündigen, absolut sensationellen Diana-Ross-Tribut hinlegte.
Clemmie war hingerissen.
»Ich kann kaum glauben, dass das keine Frau ist«, flüsterte
sie YaYa zu, als Midnight schließlich nach drei Vorhängen und fünfminütigen Standing Ovations in ihren Stöckelschuhen von der Bühne tänzelte. »Das gibt’s doch gar nicht!«
YaYa, die einzig Nüchterne der Tischrunde, kicherte. »Clemmie, Süße – du musst noch viel lernen. Pass auf, Midnight heißt eigentlich George, und im Alltag arbeitet sie – er – als Busfahrer. Er ist außerdem ein durch und durch heterosexueller Mann und glücklich verheiratet – mit einer Frau – und hat drei Kinder.«
»Unmöglich!« Clemmies Lippen prickelten inzwischen vom Champagner und sie merkte, dass ihre Aussprache etwas undeutlich wurde. »Du machst Witze, oder?«
»Ganz und gar nicht«, versicherte YaYa. »Bevor wir uns wieder auf die Tanzfläche stürzen, Liebes, lass mich dir noch eine kleine Nachhilfelektion geben. Erstens sind die meisten Transvestiten heterosexuell; normale Männer, die es ab und zu genießen, sich zu ihrem eigenen Vergnügen wie Frauen zu kleiden: Denk an Eddie Izzard. Das Wort Transvestit kommt von Travestie, also Zerrbild, Parodie, und der Zusammenhang ist offensichtlich, wenn man sich manche arme Kerle so ansieht, die weder Pailletten noch perlenbesetzte Fransen am Leib tragen. Zweitens, Transvestiten sind nicht dasselbe wie Dragqueens, ein Kleid und hohe Schuhe anziehen, kann jeder, aber um eine Queen zu werden, braucht man ein besonderes Funkeln, das gewisse Etwas. Drittens sind nicht alle Dragqueens schwul, einige sind nicht einmal männlichen Geschlechts, aber das würde jetzt zu weit führen. Viertens sind manche Leute einfach im falschen Körper zur Welt gekommen und streben daher eine transsexuelle Neuorientierung an – denk an Dana International. So weit alles klar?«
Clemmie nickte selig beduselt.
»Gut, also an diesem Tisch hier sind Campari und Cinnamon
ein Paar. Campari wusste schon immer, dass sie Männer bevorzugte – sie hielt sich für schwul, merkte dann aber, dass sie ein Transgender war. Inzwischen hatte sie eine vollständige Geschlechtsumwandlung und ist mit Cinnamon zusammen, die ganz und gar hetero ist, sich aber gern hübsch anzieht. Du weißt, was vollständige Geschlechtsumwandlung bedeutet, oder?«
Clemmie nickte wieder und wünschte, das Rinky-Dink würde nicht gar so stark hin und her schwanken.
»Ein paar Schnitte und Nähte, und aus einer Raupe wird ein Schmetterling. Okay, weiter. Foxy und Honey sind schwul und unter ihren Kleidern nach wie vor Jungs. Sie sind außerdem Freunde, die aber nicht aufeinander stehen, sodass sie immer gemeinsam auf die Piste ziehen und sich beim Flirten gegenseitig heftig Konkurrenz
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