Sternenzitadelle
eine Vision hatte: Sie hatte ihm zu erkennen gegeben, dass er aufbrechen müsse.
Der Seherin hatte er das nicht sagen müssen. Mit einem traurigen Lächeln war sie aufgestanden, um alles für seine Reise vorzubereiten. Ein letztes Mal hatte Whu ihren schönen, bronzefarbenen Körper betrachtet, diese Frau, die ihm viel mehr als sinnliches Vergnügen geschenkt hatte. Ihm war aufgefallen, dass sich in ihren Augen etwas wie der Schatten einer Iris abzeichnete, so als hätte sie mit ihrer Jungfräulichkeit auch den Blick der Seherin verloren.
Sie hatte ihn neu eingekleidet, in die traditionelle Kleidung der Abrazzen: eine an den Knöcheln eng anliegende Pumphose, eine ärmellose Tunika und eine Baumwollmütze. Nach einem letzten Kuss war er gegangen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Doch ihm schien, als hätte er ihr Schluchzen gehört.
Während seines langen Marsches hatte Whu ständig an Katiaj denken müssen und war mehr als einmal versucht gewesen, umzukehren. Denn er hatte erkannt, dass er sie liebte. Doch er fand Trost in dem Gedanken, dass sie nun in alle Ewigkeit vereint seien und er zurückkommen werde, sobald er die Aufgabe, die ihm vom Schicksal auferlegt wurde, gelöst habe.
Seine Vision war mehrmals wiedergekehrt. Er hatte ein großes, von sieben Türmen flankiertes Gebäude gesehen, ein Kind, zwei ganz in Weiß gekleidete Männer und Körper in transparenten Sarkophagen. Wo dieses Gebäude stand,
wusste er nicht. Aber er glaubte, diese Information in einer Datei der Memothek Jankl Nanuphas finden zu können. Denn der Capo rühmte sich, ein Kenner interplanetarischer Architektur zu sein, und besaß unzählige Referenzen zu diesem Thema, vor allem über unter Denkmalschutz stehende Gebäude des Ang-Imperiums.
Doch Whu konnte weder eine Verbindung zwischen diesem Gebäude und den Personen herstellen, noch konnte er hoffen, über das Programm der Memothek zu erfahren, was er tun sollte, wenn er sich am Ort seiner Vision rematerialisiert hatte. Im Augenblick musste er sich allein von seiner Intuition leiten lassen.
Ein leichter Wind verwehte die von den Lastwagen aufgewirbelten Staubwolken. Trotzdem war es unerträglich heiß, und Whu hatte seine leichte Kleidung durchgeschwitzt. Mit der Baumwollmütze wischte er sich über seinen kahlen Schädel, auf dem das Haar bereits wieder zu wachsen begann. Da er jetzt wieder seinen Status als Ritter der Absolution akzeptierte, würde er sich den Kopf nicht mehr rasieren, um seine ewige Tonsur zu verbergen.
Als er auf die Ringmauer zuging, richteten die Wachposten ihre Bauchbrenner-Gewehre auf ihn. Er hob die Hände zum Zeichen, dass er nicht bewaffnet sei, und ging weiter.
»Das ist Todes-Schrei!«, rief ein Wachposten.
»Todes-Schrei!«, hallte es aus etwa zwanzig Kehlen wider.
Die Männer senkten ihre Waffen, und Whu betrat ungehindert den Innenhof der Bastion. Von überallher strömten Leute herbei und bedrängten ihn mit Fragen. Sie waren neugierig und freundlich. Vor allem wollten sie wissen, wo die beiden Lastwagen seiner Mannschaft geblieben seien. Er erklärte ihnen, dass sie von einem plötzlichen Schwefelsturm
überrascht und die Fahrzeuge in eine Erdspalte gestürzt seien und dass er aus dem Wagen geschleudert worden sei und sich an einen Busch geklammert habe retten können.
»Und wer hat dir diese Kleidung gegeben?«
»Die Abrazzen.«
»Die Abrazzen? Die schlitzen uns doch lieber die Kehle auf!«
»Woher hätten sie wissen sollen, dass ich zum Netzwerk gehöre? Ich habe ihnen erzählt, dass ich ein fahrender Händler bin und von dem Sturm überrascht wurde …«
Dann erfuhr Whu, dass die anderen achtzehn Lastwagen bei ihrem Raubzug bei den Abrazzen erfolgreich gewesen und mit jeweils sechs oder sieben Kindern zurückgekehrt seien.
»Aber auch das hat bei dem Capo nicht für gute Laune gesorgt.«
»Na, wenn er seinen lieben Todes-Schrei sieht, wird sich seine Stimmung schlagartig bessern!«, sagte einer der Mechaniker.
Whu warf dem Mann einen scharfen Blick zu. Nicht, weil er beleidigt war, sondern weil ihm diese Bemerkung als Vorwand diente, seine Autorität über die Männer wiederherzustellen.
Sie schwiegen sofort, senkten die Köpfe und ließen ihn passieren. Als er die Halle des Hauptgebäudes betrat, sprangen drei Wächter hoch und stürzten sich auf ihn. Whu blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen stehen, während sie ihn abtasteten.
»Hosen runter!«, befahl einer von ihnen höhnisch. »Wir haben Befehl, alle Fremden zu
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