Sternenzitadelle
Rauchwolken schattenhafte Gestalten hin und her huschen. Unmöglich zu erkennen, ob sie Feinde oder Freunde waren. Die Kämpfe nahmen an Heftigkeit zu, und er glaubte zu hören, wie Wände einstürzten.
»Wach auf!«, flehte Jek und strich Yelle über die Nase.
Maltus Haktar schoss eine Salve auf einen grauweißen Söldner – für einen solchen hielt er ihn –, der auf die Tür zurannte. Der tödliche Strahl durchbohrte die Brust der Gestalt, er wurde von den Füßen gerissen und stürzte zehn Meter weiter zu Boden. Die glänzenden Scheiben lösten sich aus seinem Wurfapparat und bohrten sich kreischend in Wände und Decke des Gangs.
»Wir sitzen in der Falle!«, stöhnte der Osgorite. »Der Weg zu den Deremats ist versperrt …«
Jek glaubte, ein kaum wahrnehmbares Flattern von Yelles Lidern gesehen zu haben, doch je länger er sie anstarrte, umso mehr zweifelte er an seiner Beobachtungsgabe.
»Wach auf …«, flehte er unhörbar.
»Der Stein!«, rief Shari. »Er glänzt wieder.«
Der Julianische Korund hatte seine ursprüngliche Strahlkraft wiedererlangt und glühte jetzt in einem noch intensiveren Feuer. Von Hoffnung erfüllt, ging Aphykit zu dem Sarkophag und wagte es endlich, ihre Tochter anzuschauen, dieses außergewöhnliche Geschenk Tixus.
Seit drei Jahren sind wir kryogenisiert, hat der junge Mann gesagt. Wie heißt er noch? Jek oder so ähnlich … Wäre er inzwischen nicht so groß geworden, hätte ich geglaubt, erst vor ein paar Stunden eingeschlafen zu sein.
Eingeschlafen ist nicht das richtige Wort. Die Sonne hatte nicht einmal den Zenith erreicht, als dieser nackte bewaffnete Mann in unserem Pilgerdorf auftauchte und mich bedrohte. Yelle war mit dem Jungen im Gebirgsbach zum Baden gegangen, und die beiden Jersaleminer reinigten die Obstkisten im Garten. Und im Haus hat es nach Gas gerochen, wie ich mich erinnere, wohl weil dieser junge Mann plötzlich bei uns auftauchte. Er sah wie ein Aristokrat aus, schien aber dem Wahnsinn nahe zu sein.
Aphykit sah im Geist immer klarer das damalige Geschehen vor sich.
»Was ist mit Yelle?«
»Deine Tochter kommt auch noch dran. Und der Anjorianer.«
»Sie sind Syracuser, nicht wahr?«
»Ich bin kein Mensch mehr, sondern ein mentales Implantat. Marti de Kervaleur hat nur dazu gedient, euch vier hier aufzuspüren.«
Dann hatte er auf sie geschossen. Aphykit erinnerte sich noch an den Schmerz auf ihrer Stirn und wie sie ein Gefühl der Lähmung ergriffen hatte, bis sie zu Boden gestürzt war. Lange Minuten war sie noch bei vollem Bewusstsein, aber unfähig zu reagieren gewesen. Tixu hatte ihr ans Herz gelegt, auf Yelle aufzupassen, aber sie war in die erstbeste Falle des Bloufs getappt.
Als sie jetzt den starren Körper ihrer Tochter betrachtete, überkam sie ein schreckliches Schuldgefühl.
Aphikit erwachte aus ihren Erinnerungen, als sie einen intensiven Blick auf sich ruhen spürte. Erst in diesem Augenblick erkannte sie Shari an seinen Augen. Er war ein Mann geworden und sah mitgenommen aus. Trotzdem hatte er sich viel von seiner kindlichen Anmut und Naivität bewahrt.
Sein Anblick rief Erinnerungen in ihr wach an die unbeschwerte Zeit, als sie im Gebirge gewandert waren; an warme, von Düften erfüllte Nächte unter einem sternenübersäten Himmel; an das Herumgetolle mit dem kleinen Shari und an die Liebesspiele mit Tixu; an die innige Gemeinschaft mit den Pilgern …
Diese wenigen glücklichen Jahre hatte sie dem Schicksal gestohlen, einem unerbittlichen Schicksal, das sich
nun auf fürchterliche Weise rächte: Zuerst hatte es ihr den geliebten Mann genommen, dann hatte es sie zu einem drei Jahre währenden Tiefschlaf verdammt, und jetzt griff es nach ihrer Tochter, so als wolle es ihr nach und nach jeden Lebensinhalt und jede Freude rauben. Sollte Yelle nicht wieder erwachen, hätte sie keine Kraft zum Kampf mehr.
Da sah Aphykit, dass Shari sie ermutigend anlächelte.
»Lange kann ich die Stellung nicht mehr halten!«, rief Maltus Haktar.
Er lehnte am Türrahmen und schoss pausenlos in den Gang auf immer zahlreicher anstürmende Gegner. Einige gingen hinter ihren toten Kameraden in Deckung, benutzten sie als Schutzschilde und robbten näher.
»Ich brauche Hilfe!«, schrie der Oberste Gärtner. »Hat noch jemand eine Waffe?«
Jek klopfte seine Taschen ab, musste seinen Wellen-Töter aber verloren haben. Shari hatte seinen in der Residenz der Mars’ vergessen. Das Energiepotenzial von Maltus Haktars Waffe wurde immer
Weitere Kostenlose Bücher