Sternenzitadelle
Sie recht verstehe, so sind Sie der Meinung, dass die Kreuzianer auf Platonia nichts zu suchen haben.«
»Ich bin der Ansicht, dass man geben und nehmen muss …«
Ein Funkeln trat in die braunen Augen des Kardinals. »Was können Sie uns denn geben, Ihre Tropikalen? Ihre Faulheit? Ihre Sündhaftigkeit?«
»Ihre Toleranz«, antwortete der Missionar in vollem Bewusstsein, vermintes Gelände betreten zu haben.
»Toleranz?«, rief der Kardinal, als würde er daran ersticken. »Wir schenken ihnen das Wahre Wort, die Erlösung durch das Kreuz, die Möglichkeit, in den Himmel zu gelangen. Wir sind die Soldaten des Glaubens, im ständigen Kampf gegen die Häretiker, die Apostaten und die Heiden. Und unser Krieg ist ein gerechter Krieg! Es würde von Intoleranz zeugen, diese Wesen im Zustand einer prähistorischen Unwissenheit zu lassen. Sie brauchten nur fünf- oder sechstausend Standardjahre, um zu einem primitiven Volk zu degenerieren. Besteht Mitgefühl nicht darin, anderen dabei zu helfen, sich zu entwickeln?«
»Diese Menschen wurden von ihrer Umwelt geformt; sie sind das Spiegelbild ihres Universums, gleichzeitig träge und großzügig. Warum sollen wir ihnen Werte aufzwingen, die keine Bedeutung für sie haben? Sie beten das Kreuz auf ihre Weise an. Und auch wenn sie ihren Glauben nicht auf orthodoxe Weise praktizieren, sollten wir sie doch auf diesem Weg bestärken.«
»Das Dogma kann nicht beliebig interpretiert werden, Pater Hectus! Das Dogma ist in Fels gemeißelt. Verfügen Sie denn nicht über ein Minimum an autopsychischer
Selbstkontrolle? Ich wünsche, dass Ihre Schäfchen sofort hier erscheinen, damit wir aus dem Geist dieser Eingeborenen jegliche Animalität löschen und ihnen den Wunsch nach Veränderung einpflanzen können. Alle, die sich weigern, an diesem Prozedere teilzunehmen, werden erschossen.«
Als Hectus Bar vor die Mission trat, bekam er einen Schock: die Interlisten und die Dorfbewohner waren verschwunden. Zuerst glaubte er, die Tropikalen hätten die Soldaten in ihre Hütten eingeladen, damit die Männer die intimsten Seiten ihrer Gastgeber kennenlernen konnten, doch als er zu den Unterkünften ging, waren sie leer. Alles war leer, die Wege, die Pfade, die Buchten.
Die gesamte Bevölkerung von Bawalo hatte sich scheinbar in Luft aufgelöst. Soäcra schien nicht in den Aven, das Licht hatte einen kupfernen Ton angenommen. Die Dämmerung war angebrochen. Der Missionar fragte sich, ob er nicht den Kardinal benachrichtigen solle, doch er fürchtete den Zorn seines Vorgesetzten und machte sich allein auf die Suche nach den Dorfbewohnern.
Zuerst suchte er in den Grotten am Rand des Avens, dort, wo die Einheimischen ihre heidnischen Feste zu feiern pflegten – an denen er – auch völlig nackt, nur zu gerne teilnahm –, doch sie waren außer den immer spärlicher wachsenden Pflanzen leer. Das eindringende Wasser hatte fantastische Skulpturen an Decken und Wänden geformt. Die Tropfsteine hatten bizarre Formen gebildet, sie sahen wie eine Armee erstarrter Geister aus. Hier herrschten eine ungewohnte Stille und eine angenehme Kühle.
Hectus Bar durchquerte eine sehr große Höhle, die er sofort wiedererkannte, weil er sich dort öfter mit verschiedenen
Frauen vergnügt hatte. Ihm schien, als höre er in der Ferne Lärm. Er klang wie ein barbarischer Kriegsgesang, etwas, das er noch nie gehört hatte. Zwar hatte er nicht daran gedacht, eine Harzfackel mitzunehmen, konnte sich aber an dem Gesang, der immer lauter wurde, orientieren.
Ein paar hundert Meter weiter bot sich ihm ein seltsamer Anblick.
Verzweifelt sah Aphykit, wie das Leben aus Yelle wich. Die Augen des kleinen Mädchens hatten jeden Glanz verloren. Ein trüber Schleier deutete darauf hin, dass sie gleich das Bewusstsein verlieren würde. Trotz der Hitze war ihr Körper kalt. Bald würde sie in ein Koma gleiten, aus dem es kein Erwachen mehr gäbe.
Phoenix hatte einen Streifen von ihrem Mantel abgerissen, ihn in Wasser getaucht, und auf die blutleeren Lippen Yelles gelegt.
Aphykits Bitte an die beiden Jersaleminer, sich sofort auf Terra Mater transferieren zu lassen, hatten die zwei kategorisch abgelehnt.
»Unsere Herzen würden uns ein Leben lang Vorwürfe machen, Sie mit Ihrer kranken Tochter allein gelassen zu haben, Naïa Phykit«, hatte San Francisco erklärt.
»Nur unseretwegen werden Sie hier aufgehalten. Woanders wären Sie viel nützlicher …«
»Das Schicksal hat uns im Tiefschlaf drei Jahre vereint,
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