Sternenzitadelle
Arbeiten nicht von Ihren Schäfchen erledigen? Das wäre doch eine gute Gelegenheit, ihnen die Grundelemente der Sauberkeit beizubringen …«
Um das laute Rauschen des unterirdischen Bachs zu übertönen, musste man laut sprechen. Die Einheimischen umringten die Delegation inzwischen in einer Entfernung von zehn Metern am Rand der Bucht. Sie konnten ihre Blicke nicht von den Scaythen, den vier Gedankenschützern und den drei Inquisitoren abwenden, diesen geheimnisvollen Gestalten in ihren weißen, schwarzen oder purpurroten Kapuzenmänteln.
»Manchmal helfen sie mir, wenn die Alten es für nötig halten …«
»Die Alten?«, sagte der Kardinal und lachte höhnisch.
»Soll das etwa heißen, dass Sie in Ihrer Mission nicht die geistliche Obrigkeit vertreten und somit Autorität besitzen?«
»Hätte ich ihre Lebensweise nicht respektiert, hätten sie mich schon längst den Fischen zum Fraß vorgeworfen«, entgegnete Hectus Bar.
»Vorsicht, Pater Hectus! Sie neigen bereits in bedrohlicher Weise zur Häresie, wenn nicht gar zum Heidentum. Auch darüber müssen wir reden. Haben Sie das Bedürfnis, sich dem Prozedere der Auslöschung zu unterziehen?«
»Schon vor langer Zeit habe ich mich sehr zurückgenommen, quasi ausgelöscht«, sagte der Missionar leise und ging mit entschlossenen Schritten zur Mission, weil er das Gespräch beenden wollte.
»Beeilen Sie sich! Ich habe noch mehr zu tun!«, rief der Kardinal hinter ihm her.
Mit klopfendem Herzen schob der Missionar die wuchernden Zweige der Boug-Boug-Büsche, die ihm den Weg versperrten, beiseite und ging, tief gebückt, durch die runde Tür. Oft schon hatte er sich vorgenommen, sie zu vergrößeren, aber die Jahre vergingen und mit ihnen verflüchtigten sich seine guten Vorsätze im schwülen Klima des Avens Bawalo.
Er durchquerte den Gebetsraum – den Boden hatte er eigenhändig mit Steinen aus dem Niger Grande ausgelegt –, dann das Sprechzimmer, das nur mit einem großen Schilfteppich und einigen Kissen aus geflochtenen Blättern ausgestattet war, das Büro, in dem es einen Tisch und einen Stuhl gab, außerdem einen Messacode, einen Messacodeur, einen Memodisk, einen holographischen Projektor und ein Ladegerät für magnetische Energie. Im Krankenzimmer lagen nur sechs aus Fasern geflochtene Matratzen auf dem
Boden. Von dort aus ging er nicht in sein auf der linken Seite gelegenes Zimmer, sondern bis ans Ende des Raums zu dem großen Stahlschrank (dem einzigen Möbel, das diesen Namen verdiente und das ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte), in dem er seine Kleidung, seine Medikamente, seine Film-Bücher, seine Dateien und seine Messacodes aufbewahrte. Er stemmte die Füße auf den Boden, packte die schmale Seite des Schranks und versetzte ihn ein Stück nach vorn. Dann kroch er auf allen vieren durch den schmalen Spalt in den winzigen schuppenartigen Anbau, wo die Deremats standen.
Lichtstrahlen fielen durch das Blätterdach, zeichneten unregelmäßige Muster auf den Boden aus gestampftem Lehm und spiegelten sich auf den beiden länglichen Maschinen wider. Durch eine flüchtige Bewegung aufmerksam geworden, kroch der Missionar zwischen den beiden Geräten hindurch und entdeckte die vier von Maltus Haktar angekündigten Reisenden. Am liebsten hätte er sie zur Hölle geschickt. Das war wahrhaftig nicht der Augenblick, sich in seiner Mission zu rematerialisieren!
Dort saßen eine Frau und ein kleines Mädchen, beide mit blondem Haar und blaugrauen Augen, wahrscheinlich Mutter und Tochter; und etwas weiter entfernt ein eng umschlungenes dunkelhäutiges Paar mit schwarzem glatten Haar und braunen Augen. Die Reisenden trugen syracusische Kleidung, aber keine Colancors. Beide Frauen waren außerordentlich schön.
»Hat Sie mein Mitplanetarier Maltus Haktar geschickt?«, flüsterte Hectus Bar.
»Wir kommen aus dem Bischöflichen Palast Venicias«, antwortete die blonde Frau leise.
Der Missionar hatte den flüchtigen Eindruck, mit einem
Engel zu sprechen. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Die drückende Schwüle Platonias war noch schwerer zu ertragen als die Gluthitze seines Heimatplaneten Osgor.
»Ich bin Hectus Bar, der Leiter der Mission in Bawalo. Wie viel Zeit ist vergangen, seit Sie sich rematerialisiert haben?«
»Ungefähr eine Stunde. Erst vor Kurzem wurden wir aus einer Kryogenisierung reanimiert und nun erholen wir uns von den Nebenwirkungen des Transfers. Meine Tochter«, ihre Stimme fing an zu zittern,
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