Sternenzitadelle
diesem Prozedere.
Das Töten eines Menschen war ein relativ einfaches Unterfangen, aber die Quelle seiner Gedanken, das heißt, seinen Geist zu töten, benötigte die gesamte zerstörerische Kraft der In-Creatur. Der Adel und die hohen geistlichen Würdenträger auf Syracusa nannten die wachsenden Beeinträchtigungen ihrer Souveränität »Implantate« oder »Keimzellen« – der Liebe, der Freundschaft, der Bespitzelung –, aber sie hätten diese Eingriffe besser programmierte Auslöschung nennen sollen. Die Meister-Creatoren von Hyponeros überließen nichts dem Zufall, und die Menschheit bewegte sich, ohne es zu merken, auf das Nichts zu, aus dem sie nie wieder zurückkehren würde. Die Scaythen mussten nur noch darauf achten, Persönlichkeiten wie Oniki Kay und ihren Sohn zu vernichten, damit sich diese Menschen nicht mit den anderen Urmenschen verbünden konnten, um den Gesang der Schöpfung wieder anzustimmen.
Plötzlich hatte der Kardinal das Gefühl, als ob ein kalter Luftstrom durch seinen Kopf wehe. Das dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, wie ein flüchtiger Gedanke … Doch er fragte sich, was er hier auf dem Kai solle.
In Leder gekleidete Männer standen in kleinen Gruppen neben Käfigen, in denen große Tiere saßen.
Er erinnerte sich, dass er der Gouverneur des Planeten Ephren war, dieses Planeten, der fast vollständig von einem Korallenschild bedeckt war, und dass der Scaythe, der neben ihm stand, ein mentaler Inquisitor war. Panische Angst überkam ihn. Er blickte sich um und suchte nach seinen Gedankenhütern. Da standen sie, in ihren weißen und rot gesäumten Kapuzenmänteln. Ihr Anblick beruhigte ihn. Doch plötzlich hatte er großen Hunger und Durst, ungewöhnlich zu dieser Tageszeit. Und er fühlte sich schwer; am liebsten hätte er sofort geschlafen.
»Es nützt nichts, länger zu warten, Eure Eminenz«, sagte Xaphox.
»Ich erteile Euch die Vollmacht zu handeln. Ihr seid für diese Operation qualifizierter als ich«, entgegnete der Kardinal.
Er hatte keine Ahnung mehr, um welche Angelegenheit es sich handelte, aber er wusste, dass er sich absolut auf die Scaythen von Hyponeros – nichtmenschliche Kreaturen, die den Menschen außerordentlich ergeben und sehr effizient waren – verlassen konnte. Außerdem war er müde und wollte ruhen.
Von seinen Gedankenhütern und seinem Privatsekretär gefolgt, ging der Kardinal wie ein Schlafwandler zum kreuzianischen Tempel, einem ehemaligen Stadtpalais, das auf dem Hügel aus schwarzem Quarz über dem Hafen der Stadt Koralion stand.
»Ein komischer Typ«, murmelte einer der Dompteure. »Der ändert seine Meinung im Handumdrehen.«
Nachdem die Ordnungshüter alle neugierigen Müßiggänger nach Hause geschickt hatten, wurden drei Stunden später die Käfige geöffnet. Die Dompteure brauchten lange, um die aufgeregten Tiere zu beruhigen. Es herrschte viel Lärm. Die Schlangenfänger stießen spitze Schreie aus, schlugen wild mit den Flügeln, scharrten mit ihren scharfen Krallen auf dem Boden. Doch dann wurden sie endlich ruhiger.
Als wieder Ruhe herrschte, ging der Dompteur zu Xaphox.
»Unsere Tiere sind bereit.«
»Und worauf warten Sie noch?«
»Auf Euer Signal.«
Ein Scaythe wie der Großinquisitor konnte nie die Subtilitäten
menschlichen Geistes verstehen. Sie entzogen sich seiner Logik. Seinem Verständnis nach benahmen sie sich wankelmütig, eben noch arrogant, so legten sie jetzt eine Unterwürfigkeit an den Tag, wie sie nicht einmal Tieren zu eigen war – obwohl sie sich als die Herren des Universums betrachteten. Beraubte man sie ihrer Macht, waren sie jeder Niedertracht fähig, um ihre Herrschsucht und ihre Besitzgier zu befriedigen.
Xaphox konnte die Riesenschlangen im Korallenschild nicht direkt bekämpfen, denn ein Scaythe hatte keinerlei Einfluss auf die Tierwelt. Doch er hatte den Dompteuren von Nouhenneland viel Geld angeboten. Auf diese Weise bediente er sich menschlicher Schwächen, um sie gegeneinander auszuspielen und letztendlich zu vernichten.
Jetzt hob er den Arm und senkte ihn mit feierlicher Geste, um seiner Autorität über die Dompteure Ausdruck zu verleihen.
Auf dieses Zeichen hin erhoben sich die Drachen mit mächtigem Flügelrauschen und schrillen Schreien. Gelenkt wurden sie von den Gerüchen ihrer Beutetiere, die der Stolze Wind ihnen zutrug.
Oniki lag auf ihrer Matratze aus Flechten und schreckte auf, als sie schrille Schreie hörte. Sie hatte nicht geschlafen, wie sie es manchmal
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