Sternenzitadelle
Sein Schrei glich dem des Pfaus auf Syracusa, schrill und misstönend. Der übrige Körper, länglich und geschuppt, mit den vier Beinen und den zwei durchsichtigen Flügelpaaren ähnelte dem eines Serdosauriers – eines flugfähigen Dinosauriers auf Nouhenneland –, dessen entfernter Verwandter er war.
Nachdem der Kardinal seine Angst überwunden hatte, empfand er sogar etwas wie Faszination diesem Ungeheuer gegenüber.
»Ein schönes Tier, nicht wahr?«, sagte der Dompteur, der hinter ihn getreten war.
Offensichtlich versuchte der Mann den schlechten Eindruck, den er auf den Gouverneur dieses Planeten – und seinen vorübergehenden Arbeitgeber – gemacht hatte, zu korrigieren.
»Gehorcht Ihnen dieses prähistorische Tier wirklich, wie Sie behaupten?«
»Auf den kleinsten Wink, Eure Eminenz. Man braucht etwa zehn Standardjahre, um sie zu dressieren. Doch die Mühe lohnt sich, denn sie werden älter als fünfzig Jahre und fangen eine Menge Schlangen.«
Der Dompteur stank so aus dem Mund, dass der Kardinal unwillkürlich zwei Schritte zurückwich. Das wiederum löste eine Panikreaktion bei dem Drachen aus.
»Er scheint mir ziemlich nervös für ein gut abgerichtetes Tier zu sein …«
»Die Deremat-Reise sind die Tiere nicht gewöhnt. Sie brauchen etwas Bewegung.«
»Und sie greifen Menschen nicht an?«
»Das kommt vor, aber nur, wenn die Dompteure es ihnen befehlen.«
»Die Schlangen leben mehr als tausend Kilometer von hier entfernt …«
»Unsere Tiere erreichen eine Fluggeschwindigkeit von über fünfhundert Kilometern pro Stunde.«
Der Kardinal drehte sich um und ließ den Blick über den gigantischen Korallenschild schweifen, in dessen dunkler Oberfläche nur die Ausgänge der Röhren als Lichtpunkte glänzten. Die roten und blauen Lichtsäulen aus den Großen Orgeln berührten ihn nicht in demselben Maße wie ein sternenübersäter Himmel. Er hatte die Matrionen des Klosters der Thutalinen nicht über diesen elementaren Eingriff in das ökologische System Ephrens informiert, weil er der festen Überzeugung gewesen war, dass der Oberste Ethikrat seinen Vorschlägen folgen werde. Deshalb hatte er es nicht für notwendig erachtet, die Thutalinen und die Bevölkerung im Vorhinein zu beunruhigen.
Doch ganz plötzlich fiel ihm ein ausgezeichnetes Argument ein, diese Operation hinauszuzögern und ein letztes Mal zu versuchen, den Ethikrat von seinem Gesichtspunkt zu überzeugen.
Also ging er entschlossen mit großen Schritten auf die wie erstarrt wirkende schwarze Gestalt Xaphox’ zu.
»Ich bitte Euch um zwei Tage Zeit, ehe die Schlangenfresser losgelassen werden, Inquisitor.«
»Und aus welchem Grund, Eure Eminenz?«
Der Kardinal pflanzte sich dicht vor dem Scaythen auf und starrte ihn mit spöttischer Verachtung an.
»Liegt es in Eurem Ermessen, von Eurem Vorgesetzten eine Begründung für dessen Entscheidung zu verlangen?«
»Ich versuche nur zu verstehen und in allgemeinem Interesse zu handeln, Eure Eminenz. Mich zum Beispiel den Anordnungen des Seneschalls Harkot zu fügen.«
»Versucht nicht, mich zu beeindrucken, indem Ihr ständig den Namen des Seneschalls Harkot im Munde führt, Inquisitor! Darf ich Euch daran erinnern, dass ich in meiner Eigenschaft als Gouverneur dieses Planeten keinesfalls an die in Venicia getroffenen Entscheidungen gebunden bin?«
Ein kurzer Impuls erreichte die implantierten Hirnzellen des Großinquisitors. Ein Befehl vom Planeten Hyponeros: »Das Denk- sowie das Erinnerungsvermögen des Kardinals d’Esgouve ist bis auf die elementarsten Funktionen sofort auszulöschen.«
»Wir haben den Orden der Thutalinen nicht von der bevorstehenden Operation in Kenntnis gesetzt«, gab der Kardinal zu bedenken.
»Sollte das wichtig sein? Unser Vorgehen kann den Reinigerinnen der Orgelwerke nur recht sein. Denn die Riesenschlangen sind seit jeher ihre Feinde.«
Noch während Xaphox sprach, war er in das Gehirn des Kardinals eingedrungen und hatte mit der subtilen Arbeit des Auslöschens begonnen. Da er ständig mit den Basisdaten der Matrix verbunden war, konnte Hyponeros durch ihn sein zerstörerisches Werk durchführen. Zwar war er autark, was die mentale Inquisition und den mentalen Tod betraf, wie alle Scaythen der oberen Ränge – der Terminus »obere Ränge«, von den Menschen entlehnt, bedeutete für die Scaythen, erfolgreich gewesen zu sein –, doch die Auslöschung eines Teils des humanen Geistes implizierte die Beteiligung der Meister-Creatoren an
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