Sternenzitadelle
dieser armen von der Mikrostase abhängigen Typen. Anstatt den Mann dem Seneschall Harkot zu übergeben, hat er ihn direkt in ein Versteck der Mars-Familie bringen lassen.«
»Und niemand hat etwas gemerkt?«
»Der Offizier hat alle Zeugen mit eigener Hand beseitigt.«
»Und die Inquisitoren haben auch nichts herausgefunden?«
»Dank ihrer Kenntnisse über die Wissenschaft der Mikrostasen verfügt die Mars-Familie über einen mentalen Schutz, der weder Inquisitionen noch Auslöschungen erlaubt. Übrigens hat eins ihrer Familienmitglieder, eine gewisse Iema-Hyt, bereits vor etwa dreißig Jahren Ärger mit der Kirche gehabt. Sie musste auf den Sternenhaufen von Neorop fliehen, weil sie wegen Hexerei vor Gericht gestellt werden sollte.«
»Ist das hier von Interesse?«
Patriz de Blaurenaar wurde unruhig in seinem Bett. Alezaïa unterbrach das Gespräch.
Rose Rubis versank hinter den Dächern von Venicia und tauchte die Stadt in das flammend rote Licht des Ersten Tages, das nun der Dämmerung der Ersten Nacht weichen würde, die vier Stunden dauerte, bis die Sonne Saphyr des Zweiten Tages wieder aufging.
»Gibt es ein Problem?«
»Welche Interessen verfolgt die Mars-Familie in dieser Geschichte?«
»Sie wollen den Imperator stürzen, die Regierung übernehmen und sich gleichzeitig von den Scaythen befreien. Da sie Verbündete suchen, wären sie sicher glücklich, Leute zu den Ihren zählen zu können, die mittels ihrer Gedanken reisen können.«
»Und wo ist dieses Versteck der Familie Mars?«
»Keine Ahnung. Aber das müsste unseren Vorgesetzten doch bekannt sein.«
»Sind Sie sicher, dass Ihre Informationen stimmen?«
»Sie müssen eben überprüft werden.«
»Wie haben Sie das alles erfahren?«
»Ich habe meine kleinen Geheimnisse, genau wie Sie.«
»Zweifellos von einer Frau …«
Agtus antwortete nicht.
Alezaïa, plötzlich eifersüchtig, biss sich auf die Unterlippe. Sonst hätte sie wütend reagiert.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte sie mürrisch.
»Ist das nicht genug? Tut mir leid, aber ich dachte, das würde für den ersten Notruf reichen.«
»Sparen Sie sich Ihren Humor! Unser Gespräch hat bereits zu lange gedauert. Falls nötig, rufe ich Sie noch einmal an.«
Mit einer zornigen Bewegung griff sie an ihren Hinterkopf und brach die Verbindung ab, indem sie auf den winzigen Knopf drückte. Ihr Blick wanderte durch die exquisit ausgestatteten Räume. Sie hatte Schuldgefühle, weil sie sich ihrem Informanten gegenüber so unfreundlich benommen hatte, gehörten sie doch beide zu demselben Netzwerk und verfolgten dieselben Ziele. Leider waren sie dabei auf Methoden angewiesen, die ihnen nicht gefielen.
Also beschloss Alezaïa, sich sobald wie möglich bei Agtus zu entschuldigen, vielleicht schon bei der nächsten Morgendämmerung, und ihn dann mit viel mehr als nur einem Kuss zu belohnen.
Die Taxikugel landete auf dem Dach des Mietshauses im Stadtviertel Florenza. Agtus bezahlte den Chauffeur, stieg aus und ging über den bunten Kiesweg zu der Schwerkraftröhre. Der süß duftende Wind Coriolis strich über sein Gesicht. Der Himmel war zu Beginn der Zweiten Nacht dunkelviolett verschleiert.
Widersprüchliche Gedanken beschäftigten ihn. Einerseits war er zufrieden, derart wichtige Informationen beschafft
zu haben, andererseits hatte er sich – um sie zu erlangen – den Extravaganzen der Adeligen beugen müssen. Und die Reaktion seiner Vorgesetzten im Netz erfüllte ihn noch immer mit Bitterkeit. Die schöne Osgoritin verstand sich darauf, ihn in ein Wechselbad der Gefühle zu tauchen, vom Kuss am Morgen des Ersten Tages bis zu ihrem rüden Ton zum Zeitpunkt der Ersten Abenddämmerung.
Im Badezimmer hatte sich Dame de Mars als außerordentlich pervers und gewalttätig erwiesen – und sehr laut. Agtus hatte befürchtet, dass ihr Stöhnen und ihre Schreie andere illustre Gäste oder Gardisten auf den Plan rufen könnten. Sie hatte ihm Arme, Brust und Rücken mit tiefen Kratzern verletzt. Doch diese schmerzhaften Wunden waren der Preis gewesen. Nachdem er sie befriedigt hatte, war sie ohne Rückhalt auf alle seine Fragen eingegangen und hatte sie beantwortet. Dann hatte er sie gebadet und ihre Kleidung gereinigt und sie wieder angezogen. Sie war gegangen, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, so als existiere er nicht mehr. Sobald die Wirkung der Droge verflogen war, hatte sich erneut dieser unüberbrückbare Abgrund zwischen einer adeligen Syracuserin und einem
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