Sternenzitadelle
geglückter Versuch zur Befreiung ihrer Freunde die Wachsamkeit ihrer Feinde verstärkt. Von dem
Überraschungsmoment konnten sie nun nicht mehr profitieren, und Seneschall Harkot würde geeignete Vorkehrungen treffen, um ihrer habhaft zu werden.
Der Schein der Lichtkugeln spiegelte sich in den Wassertapeten und den Teppichen mit sich ständig verändernden Mustern. Noch nie – nicht einmal in der Kabine des Dogen Papironda – hatte Jek einen solchen Luxus gesehen. Noch einmal fragte er sich, warum diese syracusische Adelsfamilie den leblosen Körper von Sharis geborgen hatte. Im Park war alles so schnell gegangen, dass er versucht war zu glauben, das Geschehene nur geträumt zu haben.
Als die Interlisten auf ihn zurannten, hatte er noch schnell das Etui mit den Spritzen aus Sharis Tasche genommen, war aber zu nervös gewesen, seinen Freund zu reanimieren. Schweren Herzens hatte er Shari verlassen und sich dematerialisiert. Denn dieser vorübergehende Rückzug erlaubte ihm absolute Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, später wieder in das Geschehen eingreifen zu können. Noch blieben ihm knapp drei Stunden, um den Mahdi wiederzubeleben, ohne dass er dem Agens den genetischen Code hinzufügen musste. Er hatte sich an den Gedanken geklammert, es genüge, wenn er sich Sharis Gesicht vorstellte, um sich sofort an dessen Seite zu rematerialisieren. Zwar war diese Vorstellung mehr von Hoffnung als von Gewissheit getragen, doch auch das befreite ihn nicht von dem Selbstvorwurf, sich feige verhalten zu haben.
Mitten in einem Dorf war er wieder aufgewacht – einem ziemlich rückständigen Dorf, den Holzhäusern und der ungepflasterten Straße nach zu urteilen. Sein plötzliches Erscheinen hatte unter den Einheimischen für ziemliche Aufregung gesorgt.
Als er sich umsah, war er von affenähnlichen Wesen umgeben, die Kleidung aus gegerbten Häuten trugen. Manche von ihnen – die Frauen? – hatten Schmuck aus Elfenbein im Haar. Doch alle strömten sie einen strengen Geruch aus, der Jek an die Raubtiere im Wildpark in seiner Geburtsstadt Anjor erinnerte.
»Sie brauchen keine Angst zu haben. Diese Leute sind nicht aggressiv«, sagte jemand hinter ihm.
Die Stimme gehörte einem kreuzianischen Missionar, wie an seinem safrangelben Colancor und Chorhemd unschwer zu erkennen war, ein altersloser Mann mit funkelnden Augen, starken Brauen, kantigem Gesicht und gebeugten Schultern.
»Sehen Sie zum ersten Mal Tiermenschen?«
Jek hatte mit einem vagen Kopfnicken die Frage mit Ja beantwortet.
Zwei Gestirne, die sich am Horizont gegenüberstanden, schmückten den Himmel mit geometrischen Figuren, die in allen Nuancen blauer und roter Farbtöne schillerten. Das gesamte Dorf war von einem dichten dunklen Wald umgeben.
Jetzt stand der Missionar vor dem Anjorianer und fragte ihn argwöhnisch: »Wie sind Sie nach S’ran-Bra gekommen? Der letzte Ovalibus hat vor mehr als einem Monat hier gehalten. Sie haben unser Dorf doch nicht etwa zu Fuß erreicht, denn die nächste Stadt, M’all-Ker, ist über siebenhundert Kilometer entfernt. Sie haben eine Deremat-Maschine benutzt, nicht wahr?«
Jek war auf der Hut, er hatte geschwiegen.
»Eine illegale Deremat-Maschine, nehme ich an. Denn Sie wären nicht so vorsichtig, wenn Sie nicht das Gesetz
gebrochen hätten. Aber auf dem Planeten Getablan werden die imperialen Gesetze nicht nach dem Buchstaben befolgt. Also ist es egal, aus welchem Grund Sie uns einen Besuch abstatten. Uns, meinen Schäfchen und mir, genügt es, Sie als Bruder willkommen zu heißen, als einen geliebten Sohn der Kirche des Kreuzes.«
Nach dieser Rede war Jek zu einer wohlschmeckenden, deftigen Mahlzeit in der Casuta des Missionars – so hießen die Behausungen der Tiermenschen – eingeladen worden, die von den Einheimischen aufgetragen wurde. Es war ihm, trotz der Neugier seines Gastgebers, gelungen, der Frage nach seinem Transportmittel auszuweichen. Der Missionar hatte auch den Dorfältesten, D’rar Plej, und die zwei ältesten Frauen, beide Hüterinnen des kollektiven Gedächtnisses und Geschichtenerzählerinnen, zu diesem Mahl gebeten. Die alten Frauen hatten Jek mit verstohlenen Blicken gemustert, die Bewunderung aber auch Angst ausdrückten. Seine magischen Kräfte schienen ihnen noch größer als die Bruder Sergians zu sein. Denn an das fliegende Ei des Missionars hatten sie sich inzwischen gewöhnt, diese lärmende, transparente Maschine. Aber dem Erscheinen dieses in Grau gekleideten
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