Sternenzitadelle
Jungen war nichts vorausgegangen, kein Geräusch, kein Licht. Deshalb glaubten sie, der Gott der Winde, Vyou, habe ihn in ihrem Dorf abgesetzt.
Natürlich sprachen sie mit Bruder Sergian nie über ihre alten Götter, weil der Missionar mit Nachdruck die Anbetung eines einzigen Gottes forderte. Doch wenn er alle drei Monate das große Ei bestieg und seine Brüder in der Hauptstadt besuchte (die Rückreise trat er per Deremat an), kehrten sie sofort zu ihren traditionellen Riten zurück, als hätten sie vom Kreuzianismus nie gehört.
Jek konnte von ihrer rauen und gutturalen Sprache nicht ein Wort verstehen.
»Das muss Sie nicht weiter stören«, hatte Bruder Sergian erklärt. »Ich habe drei Jahre gebraucht, um zu begreifen, was sie sagen, und mich verständlich zu machen.«
Dann hatte er von sich gesprochen, von seinem Studium in der Schule der Heiligen Propaganda zu Duptinat, wo er Fracist Bogh, den derzeitigen Muffi der Kirche des Kreuzes, sehr gut gekannt habe; anschließend hatte er über seine Berufung auf Getablan geredet und von seinem ewigen Kampf gegen die Reiseveranstalter Syracusas erzählt, die für Höflinge spezielle Safaris auf diesem Planeten veranstalteten.
»Und wissen Sie, wer das Wild ist? Sie …« Mit einer Geste hatte er auf den Dorfältesten und die beiden weisen Frauen gedeutet. »Ich habe gehört, dass dasselbe auf dem Planeten Franzia im Sternenhaufen von Neorop stattfindet. Dort jagen sie die Sylven, allein um des Vergnügens willen, um dann mit deren präparierten Köpfen ihre Wände zu dekorieren. Aber was regen wir uns über dieses lebensverachtende Verhalten auf! Schließlich ist es Usus in den höchsten Kreisen. Die weisen Frauen haben mir erzählt, dass der Konnetabel Pamynx vor fünfzig Jahren eine große Zahl Tiermenschen deportieren ließ und sie als Versuchsobjekte im Rahmen wissenschaftlicher Experimente über den mentalen Tod benutzte. Möge die Kirche des Kreuzes sich unserer erbarmen, in welcher Welt leben wir? Da ich Fracist Bogh gut gekannt habe, glaube ich nicht, dass seine Wahl zum Muffi dazu beiträgt, die Situation zu verbessern.«
»Fracist Bogh? Der Gouverneur Ut-Gens?«
»Der ehemalige Gouverneur. Kennen Sie ihn?«
»Nicht persönlich.«
»Seine Wahl zum Oberhaupt der Kirche finde ich beunruhigend. Denn schon während seiner Studienzeit war er ein äußerst intoleranter Mann.«
»Menschen können sich ändern«, hatte Jek gesagt und seinen Holzteller beiseitegeschoben.
Von dem süßsauren Eintopfgericht war ihm leicht übel geworden. Automatisch hatte er in seiner Jackentasche die Schachtel mit den Spritzen und die kleine Kugel mit dem Kryo-Code berührt. Und diese Berührung hatte ihn abrupt in die Realität zurückgebracht. Die Mahlzeit und das Gespräch mit Bruder Sergian hatten ihn bereits zu viel Zeit gekostet. Er musste auf den Planeten Syracusa zurückkehren und Shari reanimieren, eine Aufgabe, die durch die strenge Überwachung des Mahdis schwierig genug sein würde.
»Jedenfalls hat sich Fracist Bogh nicht verändert!«, hatte der Missionar erklärt. »Der Anfang seines Pontifikats wurde vom Genozid der Jersaleminer und den zunehmenden Hinrichtungen am Feuerkreuz überschattet. Obwohl die Kirche des Kreuzes Nächstenliebe verkündet …«
»Seinen Nächsten zu lieben bedeutet, ihn zu der Quelle seines Ursprungs zurückzuführen, ihm seine Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit wiederzugeben …«
Jek wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Vielleicht hatte bereits das Antra aus ihm gesprochen, das in seiner Seele schlummerte.
»Sie sind sehr jung, um derartige philosophische Gedanken auszusprechen. Würden Sie mir jetzt bitte erklären, wie …«
Doch der Klang des Lebens hatte die Stimme des Missionars und alle anderen Geräusche verschluckt … Kurz
bevor Jek in das blaue Licht eintauchte, hatte er versucht, an Shari zu denken. Doch seltsamerweise war es ihm nicht gelungen, sich das Gesicht des Mannes vorzustellen, der länger als drei Jahre sein einziger Gefährte gewesen war.
Er war in einem luxuriösen Zimmer erwacht, das von schwebenden Lichtkugeln in ein angenehmes Licht getaucht wurde. Als Erstes hatte er einen Baldachin aus Optalium über einem Luftbett gesehen, auf dem jemand ruhte, und die Umrisse zweier Männer und einer Frau, die vor einer Bank standen. Im Gegensatz zu den Tiermenschen Getablans hatten sich diese Menschen über sein Erscheinen nicht gewundert. Sie hatten ihn kühl und mit leicht arroganten Mienen
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