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Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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Menschen sagen immer, wir seien so glücklich«, steht auf einem. »Aber wir nennen es einfach arubisch.« Wer so glücklich sein möchte, wie die einfachen Leute auf Aruba der Werbung zufolge sind, muss jedoch erst einmal sehr gut verdienen – um sich die Reise dorthin überhaupt leisten zu können.
    Lediglich ein einziges Plakat in der U-Bahn stachelt nicht zum Konsum an: »Dieses Poster kann Sie glücklicher machen als jedes andere auf dieser Fahrt«, steht darauf. Es wirbt für einen Philosophieworkshop mit dem Titel »Philosophy works!«, bei dem man sich gemeinsam auf die Suche nach dem Glück und nach dem guten Leben macht. Eigentlich genau das Richtige für mich, aber der Workshop beginnt leider erst nach meiner Abreise.
    Ich stehe vor dem großen Bürogebäude, in dem der Meditationskurs stattfinden soll. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe, aber ein wenig spiritueller als eine leere, anonyme Lobby mit Steinfußboden und Metallbriefkästen hätte es schon sein dürfen.
    Ich nehme den Fahrstuhl in den sechsten Stock. Hier sieht es deutlich heimeliger aus. Menschen schlurfen in Socken über Teppichboden, trinken Tee, der auf einem kleinen Tisch bereitsteht, und unterhalten sich mit gedämpften Stimmen. Durch einen Türspalt kann ich in einen der Räume blicken, die von dem geräumigen Flur- und Empfangsbereich abgehen. Dort meditiert man bereits. Scheinbar sind es Profis, denn alle haben diesen Lotossitz drauf, zu dem man seine Beine verknotet, als wäre man eine Laugenbrezel, und der mir schon beim Hinschauen Knieschmerzen bereitet.
    Eine freundliche Frau heißt uns Anfänger willkommen. Ich werfe meine Spende von zehn Dollar in ein großes Glas, das aussieht wie ein ausgemustertes Goldfischaquarium, und folge ihr in einen kleinen Raum. Der füllt sich schnell, und mir bleibt nur noch ein kleines Eckchen ganz hinten links. Neben einem uralten Heizkörper, der nicht nur eine brachiale Hitze abstrahlt, sondern auch wie verrückt poltert, klopft und zischt. Von den rund zwanzig Menschen, die sich um mich herum auf Kissen niedergelassen haben, gleicht keiner dem anderen. Doch der tätowierte, vollbärtige Hipster in der ersten Reihe ist ebenso ernsthaft bei der Sache wie das junge Hippiepärchen, die ältere Dame, die bestimmt einen Pudel besitzt, und der schwergewichtige Afroamerikaner, der in der letzten Reihe auf einem Stuhl Platz genommen hat.
    Die Meditationslehrerin sagt uns, wir sollen uns im Schneidersitz hinsetzen, »entspannt, aber aufrecht«. Was für jemanden wie mich mit notorisch schlechter Haltung schon der erste Widerspruch ist. Die Augen sollen bei dieser Art von Meditation offen sein, der Mund auch. Das kommt mir wiederum entgegen, da ich durch die Nase nie genug Luft bekomme und so wenigstens keine Angst haben muss, irgendwann röchelnd ohnmächtig zu werden.
    Wir beginnen mit kurzen, fünf bis zehn Minuten dauernden Übungen. Die klopfende Heizung kann mich gar nicht ablenken – ich bin vollauf damit beschäftigt, an meinen schmerzenden Rücken zu denken und an meinen eingeschlafenen Fuß, der sich anfühlt, als würde jemand Nadeln hineinpiken. Beim Gespräch nach der ersten Runde stelle ich fest: Vielen anderen geht es genauso.
    Die zweite Runde ist nicht viel besser. Wir sollen uns eigentlich nur auf unseren Atem konzentrieren, aber meine Gedanken schießen umher wie eine Flipperkugel nach einem doppelten Espresso: In wie vielen Tagen geht eigentlich mein Flug nach Hause? Da hat doch jemand gefurzt! Wo esse ich heute zu Abend? Oh, eine Polizeisirene! Was steht da auf dem T-Shirt meines Vordermanns? Jetzt nervt die klopfende Heizung aber doch! Müssten die zehn Minuten nicht schon längst um sein? Ach verdammt, konzentrier dich endlich auf deinen Atem!
    Das Schlimme ist, dass ich gar nicht merke, wie meine Gedanken abschweifen. Sondern es immer erst mitbekomme, wenn sie schon minutenlang abgeschweift sind und ich ein halbes Dutzend Themen durchgegrübelt habe. Ich bin an den ständigen Monolog meines Geistes so gewohnt, dass ich ihn oft gar nicht mehr bewusst wahrnehme – und deshalb auch nicht stoppen kann.
    Als ich diese Schwierigkeiten anspreche, beruhigt mich die Lehrerin. Das sei am Anfang ganz normal. »Wir sind es nicht gewöhnt, uns für längere Zeit nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren.« Regelmäßige Übung sei der allerbeste Weg, diese Fähigkeit zu verbessern. »Stellen Sie sich Ihre abschweifenden Gedanken wie einen Elefanten vor, der durch Ihr Sichtfeld

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