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Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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geht«, sagt sie. »Im Moment sehen Sie ihn erst, wenn er schon fast wieder aus Ihrem Blickfeld verschwunden ist. Sie sehen sozusagen nur den kleinen Pinsel hinten an seinem Schwanz. Je mehr Übung Sie im Meditieren haben, umso früher sehen Sie den Elefanten. Und irgendwann sehen Sie, wie sein Rüssel in Ihr Blickfeld kommt – Sie merken also, dass ein ablenkender Gedanke aufkommt, und können ihn beiseiteschieben, anstatt sich mit ihm zu befassen.«
    Mir kommt es vor, als wäre eine ganze Elefantenparade laut trötend durch mein Blickfeld gestampft – bis ich es schließlich beim kleinen Babyelefanten, der hinterhertrottet, wirklich merke. Aber meinetwegen, ich werde es versuchen. Denn eines muss ich zugeben: Als ich nach der Verabschiedung – bei der erfreulicherweise weder Klimbim aus Indien verkauft wird noch Sektenmitgliedsausweise ausgegeben werden – durch den Schneematsch zurück zur U-Bahn gehe, fühle ich mich extrem gut. Die Menschen um mich herum scheinen samt und sonders genervt vom Berufsverkehr, vom Wetter, von ihrer Steuererklärung oder von ihrem Leben generell – aber ich ruhe in mir. Auf der Treppe rempelt mich an Mann an, aber es ärgert mich nicht. Die Bahn fährt gerade davon, als ich den Bahnsteig erreiche, aber das ist nicht weiter schlimm.
    Ich setze mich auf eine Bank und fühle mich wach und voller Energie. Fast so, als könnte ich heute einen Weltrekord schaffen. Die Meditation scheint also doch etwas bewirkt zu haben – Elefantenparaden und Flipperkugeln hin oder her.
    Der unglückliche Internetmillionär
    Doch ich bin nicht nur nach New York gekommen, um mich mit dem Weltrekordhalter im Weltrekordehalten zu treffen und einen Meditationsworkshop zu besuchen. Auf meiner Suche nach dem Glück habe ich mich auch mit jemandem verabredet, der einen ganz anderen Weg gewählt hat als der meditierende und bescheidene Ashrita – nämlich den Weg von Geld und Ruhm.
    Am nächsten Tag treffe ich mich mit Josh Harris. Er wohnt in einem spartanischen Künstlerloft im Stadtteil Williamsburg und besitzt nach eigenen Angaben noch genau sechzig Dollar. Früher waren es einmal achtzig Millionen.
    Der heute Einundfünfzigjährige kam Anfang der Neunzigerjahre nach New York. Mit einem Startkapital von neunhundert Dollar, die er für seinen alten Kombi bekam, gründete er die Firma Jupiter Communications. Er war einer der Ersten, die sich mit Traffic-Zahlen, Nutzerstatistiken, Internetwerbung und all dem beschäftigte, woraus heute eine milliardenschwere Industrie geworden ist.
    »Die Leute bezahlten damals wahnsinnige Summen für Statistiken, die heute jeder umsonst abrufen kann«, erinnert er sich mit einem Kopfschütteln. Als ihm das Datenschürfen zu langweilig wurde, gründete Harris Pseudo.com, den wohl weltweit ersten Internet-Fernsehsender der Welt. Über zweihundert Mitarbeiter sendeten aus einem Lagerhaus in Soho Dutzende von Webcasts: Hiphop- und Sportsendungen, Dichterlesungen, Punksendungen. Harris’ persönlicher Marktwert betrug zu diesem Zeitpunkt rund achtzig Millionen Dollar, jeder wollte ihm noch mehr Geld geben, denn Harris, so schien es, hatte immer den richtigen Riecher, wenn es um die Zukunft ging. Er war der Mann für »das nächste große Ding«. Seine Partys, auf denen er einen Großteil seiner Mitarbeiter rekrutierte, waren legendär: »Leichtbekleidete Topmodels saßen auf dem Schoß von Nerds, die Ballerspiele zockten«, erinnert sich ein Zeitzeuge in einem Fernsehbeitrag von damals.
    Trotzdem: Glücklich wirkt Harris nie. Auf keinem der zahlreichen Fotos oder Videos, die aus jener Champagner-trunkenen Zeit existieren, sieht man ihn wirklich lachen. Stattdessen trat Harris immer öfter als sein Alter Ego »Luvvy« in Erscheinung: ein grell geschminktes geschlechtsloses Wesen mit gelber Badekappe, Federboa und schwarz gemalten Zähnen. Kein Clown, das war ihm wichtig. Luvvys Motto lautete: »You gotta love the love!« – Du musst die Liebe lieben!
    Doch für reale Liebe zu anderen Menschen scheint in Josh Harris’ Leben kein Platz zu sein.
    Josh Harris wuchs als jüngstes von sieben Kindern nach eigenen Angaben ohne elterliche Aufmerksamkeit oder Zuneigung auf. »Meine Erziehung war der Fernseher«, sagt Harris heute und schwärmt von seiner Lieblingsserie »Gilligan’s Island«. »Meine Mutter sagte nur: Kümmert euch um euch selbst. Dass mein Vater beim Geheimdienst war und wir deshalb dauernd umziehen mussten, machte die Sache auch nicht einfacher.«
    Harris’ Vater,

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