Sternhagelgluecklich
weiß nie, wann der Funke kommt. Aber wenn man aufhört, bevor es gefunkt hat, weiß man nie, ob es vielleicht nicht schon genau beim nächsten Mal geklappt hätte.«
Ich setze mich also jeden Morgen im Schneidersitz auf mein extra zu diesem Zweck angeschafftes Yogakissen, lege die Hände offen auf meine Oberschenkel und versuche, an nichts zu denken.
Gar nicht so einfach. Aus der Küche höre ich die Spülmaschine brummen. In der Wohnung über mir trampeln die Kinder, die gerade aufgewacht sind. Den Mund halte ich leicht geöffnet, so wie es mir im Kurs geraten wurde, aber im Gegensatz zum Kurs läuft mir zu Hause so viel Spucke im Mund zusammen, dass ich Angst habe, unabsichtlich die neue Art der Sabbermeditation zu erfinden. Die Augen, die ich ebenfalls vorschriftsmäßig geöffnet halte, fangen an zu brennen und zu tränen. Abschalten, loslassen oder gar auf eine neue Bewusstseinsebene gelangen kann ich so, blinzelnd, schluckend und mit Ohren, die ich mir am liebsten zuhalten würde, jedenfalls nicht.
Hurz-Meditation
So geht es einige Tage. Jedes Mal wenn der Handyalarm klingelt und mir zeigt, dass die halbe Stunde, die ich für die Meditation vorgesehen habe, vorbei ist, bin ich erleichtert. Froh, dass es geschafft ist.
Glück sieht anders aus. Das hier ist eher eine lästige Pflicht.
Vielleicht, so denke ich mir, muss ich noch mal einen Kurs besuchen, um mir auf die gedanklichen Sprünge helfen zu lassen. Nein, eigentlich das Gegenteil: Ich brauche jemanden, der meinen Geist in ruhigere Bahnen lenkt.
An einem Stromkasten gegenüber von meinem Lieblingscafé hängt ein Plakat, das zu einem Meditationsworkshop für Anfänger einlädt, ausgerechnet im Sri Chinmoy Center in Berlin-Schöneberg. Ich denke an Ashrita, den Weltrekordesammler, der auf mich einen wirklich zufriedenen und ausgeglichenen Eindruck gemacht hat – nicht das schlechteste Glückstestimonial.
Also mache ich mich an einem regnerischen Donnerstagabend auf den Weg quer durch die Stadt, um das Meditationsglück vielleicht doch noch zu finden.
Der Workshop findet in einer großen Altbauwohnung statt. Die Schuhe muss man im Treppenhaus ausziehen. In dem großen Meditationsraum hängen lange weiße Vorhänge vor den Fenstern, noch ist wenig los. Ich bin früh dran. Ich nehme auf einem der dreißig IKEA -Klappstühle Platz und sehe mich um, während sich der Raum langsam füllt. Rund dreißig Leute sind der Einladung auf den Plakaten gefolgt. Eine relativ gemischte Gruppe, zwischen zwanzig und fünfzig Jahre alt, manche allein, manche im Zweier- oder Dreierpack. Einige kommen ganz in Weiß. Sie begrüßen einander, während der Rest eher für sich bleibt. Ich frage mich, ob das schon ein Erkennungszeichen der Fortgeschrittenen ist. Der Dazugehörenden, die das Glück schon entdeckt und verstanden haben.
Ashrita habe ich nie in Weiß gesehen, immer nur in Sportklamotten. Als ich in München lebte, wohnte nur wenige Häuser weiter der Hippiekommunarde Rainer Langhans. Der trug auch immer Weiß, wenn ich ihn auf dem Weg zum Supermarkt oder zur U-Bahn sah. Sonderlich glücklich wirkte er aber nie.
Vor den Stühlen liegen noch ein paar Meditationskissen auf dem Boden, ganz vorne stehen ein Bild von Sri Chinmoy und zwei Kerzen auf einem Altar. Ich merke, wie mich das stört – und ich meine nicht die Kerzen. Ich kann gar nicht genau benennen, woher es kommt, aber alles in mir sträubt sich gegen diesen Personenkult, gegen die Verehrung eines Einzelnen. Vielleicht liegt es daran, dass die letzte Person, die ich als Kind so sehr verehrt habe, dass ich mir ein Poster von ihr an die Wand hängte, Boris Becker war. Ein gutes Beispiel für die begrenzte Halbwertszeit von Idolen.
Neben dem Altar steht ein Ghettoblaster, den man angesichts der leise daraus rieselnden Meditationsmusik kaum so nennen mag. Man hört aber auch schräges, atonales Geigenspiel. Leicht gedämpft – so als würde in der Wohnung nebenan ein Neuling üben, der gerade erst seine zweite Unterrichtsstunde hatte. Nach einer Weile verstummt das dumpfe Gefiedel von nebenan, und eine blondgelockte Frau Ende dreißig betritt den Raum. Auch sie ist – bis auf ein Paar rote Socken und ein buntes Tuch – weiß gewandet. In der Hand trägt sie ein Instrument, das irgendwie selbst gebaut aussieht. Eine Art Mini-Sitar mit nur einer einzigen Saite.
Ich beginne zu ahnen, wen man da vorher durch die Wand hindurch gehört hat.
Sie schaltet die Meditations- CD aus, nimmt auf einem Stuhl neben
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