Sternhagelgluecklich
immer jemanden, der noch mehr verdient und an dem wir uns messen, statt uns über das zu freuen, was wir haben. Neid bringt Menschen dazu, sich auf Dinge zu konzentrieren, die ein anderer besser kann als sie selbst, anstatt sich auf die eigenen Stärken und Erfolge zu besinnen und darüber Glück zu empfinden.
Playmobilritter und flache Bäuche
Der Beginn meiner Karriere als Neider war ein Kindergeburtstag. Und das ist ausnahmsweise mal wörtlich gemeint. Mein Kindergartenfreund Oliver wurde fünf, und mit meiner Mutter suchte ich ihm ein Playmobilset mit zwei Rittern auf Turnierpferden aus. Als es zu Hause ans Einpacken ging, wurde mein Neid auf den zukünftigen Besitzer so groß, dass ich heimlich einen der Ritter aus der Schachtel holte, diese wieder zuklebte und nonchalant einpackte. Nicht einmal die traurige Verwunderung von Oliver konnte in meinem Kinderherz für Reue sorgen – der Neid war stärker gewesen. Und sollte es noch oft bleiben.
Inzwischen habe ich mir abgewöhnt, Playmobilritter aus Geburtstagsgeschenken zu klauen. Neidisch bin ich jedoch auch heute noch oft – auf die unterschiedlichsten Dinge: auf das angebliche Gehalt eines Freundes, das ich in einer bierseligen Runde aufschnappe – und das vermutlich nicht einmal stimmt. (» Wie viel bekommt der? Aber doch nie im Leben netto? Was?!?! Und dann auch noch vierzehn Gehälter?«) Auf den Mut einer Bekannten, einfach so in die USA auszuwandern. (»Dabei kann die doch nicht mal richtig Englisch! Sagt immer › decent ‹, wenn sie ›dezent‹ meint. Mir könnte das ja nicht passieren …«) Auf den flachen Bauch eines Kumpels, mit dem ich einen Sommersonntag am See verbringe. (»Dabei hat der doch vorhin auch ein Schnitzel gegessen. Und so viel Sport macht er nun auch wieder nicht. Vielleicht lasse ich mein T-Shirt einfach erst mal an, so warm ist es ja gar nicht.«)
Der Neid kommt, schnell und unangekündigt, und kann einem den bis dahin ungetrübten Tag so richtig versauen. Kaum jemand gibt offen zu, neidisch auf andere zu sein – schon gar nicht auf die eigenen Freunde. Aber soll ich was verraten? Ich glaube den meisten ihre tugendhafte Neidlosigkeit kein Stück.
Dass Neid böse ist, bekommen wir schon von klein auf eingetrichtert. Natürlich gab es einen Riesenärger, als meine Mutter mich irgendwann mit dem Playmobilritter ein einsames Turnier austragen sah. Hätte ich es einem fremden Kind geklaut, hätte ich auch einen Anschiss bekommen, klar. Aber so kam noch der berechtigte moralische Vorwurf dazu: »Du darfst nicht neidisch sein auf das, was deine Freunde haben.«
Wenn es mal nur so einfach wäre! Denn meistens lässt es uns vergleichsweise kalt, wenn ein fremder Unternehmensvorstand drei Limousinen vor dem Haus stehen hat. Aber wenn der beste Freund sich einen Golf kauft, der nur ein wenig unrostiger ist als unser eigener, bekommen wir plötzlich für drei Tage ein nervöses Zucken im Augenwinkel und stellen sicher, dass wir ihm mehrfach ungefragt mitteilen, dass »senfgelb oder was das sein soll« natürlich eine oberbekloppte Farbe für ein Auto ist.
Aber warum sind wir ausgerechnet auf die Menschen neidisch, die uns am Herzen liegen? Warum pikst jede Beförderung, warum nervt jeder Karibikurlaub? Wo wir uns doch stattdessen mit unseren Freunden freuen sollten?
Der Sozialpsychologe Rolf Haubl ist so etwas wie Deutschlands Neidpapst. Sein Buch »Neidisch sind immer nur die anderen« ist ein kluges, aber dennoch gut verständliches Standardwerk zum heiklen Thema. Der freundliche Mann mit dem Schnauzbart eines Achtzigerjahre-Pädagogen mit taz-Abo steht dem Frankfurter Sigmund-Freud-Institut vor und erklärt mir geduldig, woher die Missgunst gegenüber guten Freunden stammt: »Wenn wir ganz ehrlich sind, finden wir auch unsere Freunde ja nicht immer und grenzenlos gut. Selbst zu unseren intimsten Vertrauten gibt es ein ambivalentes Verhältnis – zwischen sehr großer Zuneigung und Momenten, da wir sie an die Wand klatschen könnten.«
Es gibt also doch jemanden, der einen Neider wie mich versteht!
Aber Haubl ist noch nicht fertig: »Der stärkste Neid entwickelt sich dort, wo bei vermeintlich gleichen Rahmenbedingungen unterschiedliche Ergebnisse rauskommen. Wenn sich zwei Freunde gleich stark anstrengen, aber unterschiedliche Prüfungsnoten, Gehälter oder Frauen bekommen. Wenn das nicht erklärbar ist, produziert es Neid.«
Und was ist, wenn es erklärbar ist? Zum Beispiel weil der Freund am Wochenende, statt zu feiern,
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