Sternhagelgluecklich
gepaukt hat und durch die bessere Note das höhere Gehalt und vielleicht auch die bessere Frau bekommen hat?
»Das kann eine neiddämpfende Wirkung haben«, sagt Haubl. »Aber ganz verschwindet er nicht. Denn Neid ist ja eine Emotion, die lässt sich nicht rational erklären und wegdiskutieren.«
Das kann ich bestätigen. Neidgefühlen kommt man mit Rationalität so wenig bei wie der Flugangst eines Phobikers mit Airline-Statistiken. Auf einen Grundschulfreund, der auf ein Internat geschickt wurde, weil seine Eltern sich scheiden ließen, blieb ich jahrelang neidisch, obwohl mir mein Verstand sagte, dass er eigentlich schlecht dran war. Der Grund für meinen Neid: Ich war infiltriert von »Burg Schreckenstein«-Kinderbüchern und hielt das Leben im Internat für ein einziges Abenteuer.
Auf meinem langweiligen Stadtgymnasium war ich wiederum neidisch auf diejenigen Freunde, die schon genau wussten, was sie einmal mit ihrem Leben anfangen wollten. Die einen Plan hatten. Selbst wenn dieser Plan Pharmazie oder Maschinenbau lautete. Alles schien mir besser als meine eigene Unentschlossenheit.
Während des Studiums dann war ich als Single auf diejenigen meiner Freunde neidisch, die in einer Beziehung glücklich schienen. Konnten die vielleicht auch noch über was anderes reden als über ihr Pärchenglück, ihre Pärchenaktivitäten und ihr ganze dauerlächelnde Pärchenhaftigkeit?
Mein Neid hielt natürlich nur genau so lange vor, bis ich selbst wieder in einer Beziehung war – denn dann neidete ich denen, die solo waren, ihre Freiheit.
Wie häufig wir neidisch sind, wie wenig wir aber zu unserem Neid stehen, ist empirisch belegt. So stimmten in einer Umfrage beispielsweise fünfzig Prozent der Befragten der Behauptung zu, wir lebten in einer Neidgesellschaft; nur sieben Prozent bekannten sich aber selbst dazu, neidisch zu sein. Denn neidisch, das bestätigt auch Haubl in seinem Buch, sind eben immer nur die anderen.
Dass wir es aber tatsächlich auch selbst sind – und zwar vor allem Freunden gegenüber –, beweist das Experiment zweier spanischer Spieltheorie-Forscher aus Granada. Natalia Jiménez und Ramón Cobo-Reyes ließen jeweils zwei Freunde und zwei Fremde mehrmals eine fiktive Geldmenge nach unterschiedlichen Regeln zwischen sich aufteilen. Vereinfacht gesagt, gab es dabei die Möglichkeit, dass beide gleich viel (aber insgesamt weniger) bekämen – oder insgesamt mehr, aber ungleich verteilt. Das Überraschende: Während die Fremden zu hundert Prozent die jeweilige Verteilung fanden, die nicht für den Einzelnen, aber für sie gemeinsam die beste war, schafften es nur sechzig Prozent der befreundeten Paarungen. In einer anderen, etwas komplizierteren Version der Zusammenarbeit schafften es sechsundvierzig Prozent der Freunde nicht, sich effektiv zu koordinieren – bei den Fremden waren es nur achtundzwanzig Prozent.
Die Ursache dafür sehen die Forscher in stärkeren Neidgefühlen unter Freunden: »Neid hat eine negative und hoch signifikante Auswirkung auf die Effektivität. Darüber hinaus ist dieser Effekt für Freunde höher als für Fremde.«
In einer psychologischen Studie von Richard Smith und Sun Hee Kim von der University of Kentucky klingt es gerade so, als sei Neid eine schwere psychische Störung: Neider fühlen sich gestresst und überfordert, haben ein miserables Selbstwertgefühl und verhalten sich feindselig, nachtragend und zornig. Folglich haben sie keine oder schlechtere Freunde und enden allesamt als sinnlos schimpfende Alkoholiker in stinkenden Seitengassen des Lebens.
Letzteres ist vielleicht etwas frei interpretiert, aber das war es, was ich aus ihrer Analyse herauslas.
Hartz IV statt Charts und trotzdem glücklich?
Ich bin eigentlich stets davon ausgegangen, dass mein Neid auch einen positiven Effekt hat. Dass er mich zu besseren Leistungen anspornt (wenn ich befreundeten Journalisten Auszeichnungen, Buchverträge oder gute Formulierungen neide) – oder wenigstens die Binnennachfrage ankurbelt (wenn ich auf Maßschuhe, Armbanduhren oder iPhones befreundeter Shopaholics neidisch bin). Seien wir ehrlich: Ein Großteil unseres kapitalistischen Systems basiert darauf, dass Idioten wie ich, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, sagen: Will ich auch.
Aber was, wenn mein Neid zwar die marode Volkswirtschaft notfallbeatmet, mich selbst aber tatsächlich blockiert, lähmt, dumme Entscheidungen treffen lässt?
Ich brauche Rat von jemandem, von dem ich denke, dass er sehr
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