Sternhagelgluecklich
professioneller Schalldämmung. Ich bin der Dritte in der Schlange und etwas nervös. Als Protestant habe ich noch nie in meinem Leben gebeichtet. Welche Regeln gibt es da? Wie ist der Ablauf? Wird der Priester sofort merken, dass sich jemand aus Luthers Lager bei ihm eingeschlichen hat? Wird er mich, wie er einen ungezogenen Sonntagsschüler aus der Schulbank zerrt, an meinen Ohren aus dem Beichtstuhl holen? Oder einfach nur auf einen Knopf drücken und damit eine Falltür öffnen, die mich direkt ins Fegefeuer plumpsen lässt?
Meine Nervosität wird immer größer. Der letzte der Beichtenden, die vor mir dran sind, scheint besonders lange zu brauchen. Was der alles ausgefressen haben muss!
Endlich bin ich an der Reihe. Von innen sieht der Beichtstuhl aus wie die moderne Sprecherkabine eines Radiosenders. Die Kirche kann es mit Neid als Todsünde aber auch nicht mehr so richtig ernst meinen. Denn als ich in unangenehm grellem Licht dem Priester meine Neidgefühle beichte, bekomme ich keine katholische Strafaufgabe in Form von Rosenkränzen aufgebrummt. Die Beichte ist eher ein softes Seelsorgegespräch. »Besinnen Sie sich auf Ihre eigenen Stärken«, sagt der Priester, »und danken Sie Gott für das, was Sie haben.«
Auf dem Nachhauseweg denke ich über die verschiedenen Situationen nach, in denen ich besonders scharfen Neid verspürt habe. Ich denke an Professor Haubl und Andi Erhard, an die spanischen Spieltheoretiker und an meine Beichtversuche. Und mir wird klar: Ein Patentrezept gegen Neid gibt es nicht. Man kann ihn nicht einfach ausknipsen, weil man einen entsprechenden Schalter in seinem Herzen gefunden hat.
Neid ist aber auch nicht die ekelhafte und verdorbene Gefühlsregung, als die er manchmal dargestellt wird. Er ist normal, er ist menschlich, er kann uns anspornen – aber wenn wir nicht aufpassen, kann er uns schwer zu schaffen machen. Was wir tun können: uns vor Augen führen, dass die Dinge, um die wir andere beneiden, fast immer auch ihren Preis haben. Okay, vielleicht fährt ein Studienfreund einen Firmenwagen, der ihm auf Knopfdruck den Rücken massiert und bei dem uns bereits eine Tankfüllung einen mahnenden Anruf unseres Bankberaters einbringen würde. Aber es kann gut sein, dass er dafür ständig mit Leuten zu Abend essen muss, die er nicht ausstehen kann. Und nur noch durch den hässlichen digitalen Bilderrahmen auf seinem Schreibtisch weiß, wie seine Kinder aussehen.
Oder dass die Freundin, die alles von ihren Eltern bezahlt bekommt, dafür auch ihre Freiheit einbüßt – denn wer bezahlt, will auch mitreden.
»Der Neider sieht nur das Beet, aber den Spaten sieht er nicht«, sagt ein altes Sprichwort. Das ist zwar – ebenso wie die Einsicht, dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist – nun auch keine Erkenntnis, für die eine Fußball-Live-Übertragung unterbrochen wird. Aber manchmal kann sie uns auf der Suche nach dem Glück ein wenig helfen. Helfen, wieder ruhiger zu atmen, die Schultern zu entspannen und zumindest mit halb reinem Gewissen zu sagen: »Herzlichen Glückwunsch! Ich hab immer gewusst: Du hast es drauf.«
Erste Zwischenbilanz
Beinahe die Hälfte des Jahres, das ich auf der Suche nach dem Glück verbringen will, ist inzwischen um. Habe ich tatsächlich Fortschritte gemacht? Ich glaube schon. In Sachen Neid muss ich vielleicht noch weiter an mir arbeiten, aber insgesamt habe ich den Eindruck, zufriedener durchs Leben zu gehen als noch vor fünf Monaten. Und das, obwohl der Frühling immer noch auf sich warten lässt – an den äußeren Umständen, dem Sonnenschein und langen Tagen am Badesee kann es also nicht liegen.
Ein Indikator, dass mein gestiegenes Glücks-Level tatsächlich mehr ist als nur eine Ahnung, ist mein gesunkener Schokoladenkonsum. Dass Schokolade glücklich macht, ist zwar im Großen und Ganzen eher ein Mythos 22 – trotzdem habe ich bisher vor allem dann welche in mich hineingestopft, wenn ich frustriert, traurig oder gestresst war. Seit etwa zwei bis drei Monaten ist mein Schokoladenkonsum jedoch auf nahezu null abgefallen. Was vor allem Jessica freut, die sich sonst regelmäßig zu Recht beschwerte, wenn ich ihre Vorräte in einem nächtlichen Schokoladen-Blitzkrieg vernichtet hatte. Im Gegensatz zu mir schafft sie es, sich eine Tafel Schokolade zu kaufen und über zwei Wochen jeden zweiten Abend ein, zwei Eckchen davon zu essen. Wenn ich Schokolade kaufte, mussten es bisher immer mindestens drei Tafeln sein: Eine überlebte
Weitere Kostenlose Bücher