Sternhagelgluecklich

getroffen habe. Seinen Ratschlag, regelmäßig zu meditieren, habe ich zwar befolgt – der transzendentale Durchbruch zum Glück blieb bislang aber aus. Doch kurz vor einer kleinen Fußgängerbrücke, die den Fluss überquert, fällt mir sein anderes Rezept ein: der Hopserlauf.
    Erst komme ich mir doof vor, als ich von meinem gewöhnlichen Joggen in ein kindliches Hüpfen übergehe. Die Menschen auf der Brücke ziehen ihre Augenbrauen hoch und machen extra viel Platz, damit ich durchkomme. Mein Kopf glüht jetzt nicht mehr nur vor Anstrengung.
    Als die Brücke aber hinter mir liegt, habe ich mich bereits eingehopst, und das Gefühl der Peinlichkeit schwindet. Und während ich am gegenüberliegenden Ufer in stetigem Rhythmus zurückhüpfe, fange ich an zu grinsen und kann gar nicht mehr aufhören. Die Gedanken an sadistische Steuerprüfer und Theorien zur Verlustaversion sind plötzlich verschwunden. Die Spaziergänger machen zwar noch immer große Augen, mehrmals werde ich von japanischen Touristen fotografiert – aber es ist mir mit einem Mal egal. Und ich merke noch etwas: Ashrita Furman muss extrem fit sein. Denn so wie ein finanzieller Verlust uns doppelt so stark beeinflusst wie ein Gewinn, ist ein Hopserlauf auch mindestens doppelt so anstrengend wie normales Joggen. Er macht mir nicht nur gute Laune, sondern mich auch hervorragend müde. Ohne länger zu grübeln und mich herumzuwälzen, schlafe ich abends ein.
    Ausgeruht mache ich mich am nächsten Tag auf den Weg zur Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Im Foyer des altehrwürdigen Neogotik-Gebäudes stehen bereits zahlreiche Menschen Schlange, um sich registrieren zu lassen und die Unterlagen in Empfang zu nehmen. Es sind deutlich mehr Frauen als Männer. Die meisten von ihnen sind zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt. Sie alle haben dreihundert Euro Seminargebühr bezahlt. Für Studenten gab es fünfzig Prozent Rabatt, aber es scheinen sich nur sehr wenige junge Menschen für das Glück zu interessieren. Wer seine Unterlagen erhalten hat, geht ein paar Meter weiter, wo eine Handvoll Helfer Kaffee in Pappbechern ausschenkt. Für einen Euro extra bekommt man auch noch einen Keks oder eine Praline dazu. Die Stimmung ist entspannt und freundlich. Nur sehr wenige der Anwesenden scheinen sich bereits zu kennen, trotzdem herrscht ein gewisses unausgesprochenes Einverständnis. Wir alle sind hier in Sachen Glück. Wir alle haben ein freies Wochenende geopfert, um etwas über Zufriedenheit und positives Denken zu lernen.
    Fortbildung in Frohsinn
    Die Vorträge finden in einem großen Saal der Hochschule statt, der eine eindrucksvoll gewölbte Decke aufweist und in einem angenehmen Halbdunkel liegt. Auf der Suche nach einem Platz stelle ich jedoch fest, dass selbst Menschen auf der Suche nach der Glückseligkeit sich nicht anders benehmen als Touristen einer Ferienanlage auf Mallorca: So wie dort Handtücher am Pool liegen, ist hier bereits Reihe um Reihe durch Jacken oder sorgsam ausgebreitete Zeitungen belegt. Auf der Jagd nach dem Glück soll scheinbar nichts dem Zufall überlassen werden, jeder ist sich selbst der Nächste und will möglichst weit vorne sitzen, nah dran am Glück.
    Ich lasse mich am hinteren Ende des Saals nieder. Der Vormittag geht schnell vorbei. Die Vorträge zu Themen wie »Positive Psychologie der Arbeit«, »Die Glücksfalle« oder »Positive Psychologie an deutschen Hochschulen« sind kurzweilig und angenehm abwechslungsreich. Gleichzeitig wirken sie jedoch zufällig zusammengewürfelt, ohne einen richtigen Aufbau oder roten Faden.
    Als Überraschungsgast vor der Mittagspause haben die Veranstalter Eckart von Hirschhausen eingeladen, die Allzweckwaffe in Sachen Fernsehunterhaltung und Ratgeberbestseller. »Und dabei ist er ja ein echter Arzt«, werden die Menschen nicht müde zu betonen, sobald sein Name fällt. Auch hier murmelt meine Sitznachbarin den Satz leise vor sich hin – ob zu mir oder zu sich selbst, ist mir nicht ganz klar.
    Hirschhausens Vortrag ist sehr gelungen: Er präsentiert wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Glück und Zufriedenheit mit einem präzisen Gefühl für Dramaturgie, Timing und Pointen. Er besitzt das Entertainertalent, intuitiv zu wissen, wann er das Tempo anziehen muss, wann eine Sekundenpause wichtig und wann auch mal ein derbes Wort erlaubt ist. So warnt er beispielsweise vor dem Trugschluss, jeder Mensch wäre durch Positive Psychologie in der Lage, allein durch gute Gedanken sein Schicksal