Sternhagelgluecklich
wichtig für das Erreichen von Zielen wie unser Intelligenzquotient oder unser Talent in diesem Bereich.«
Er und seine Mitarbeiter haben zwei Jahre lang die nationalen Ausscheidungen des in den USA beliebten Buchstabierwettbewerbs beobachtet, an dem Schulkinder aus dem ganzen Land sich über Stadt, Bezirk und Bundesstaat bis zum großen Finale in der Hauptstadt Washington hochbuchstabieren können. »Wir haben im Vorfeld verschiedene Eigenschaften der Teilnehmer gemessen«, so Seligman, »und konnten die späteren Sieger schon vorher erkennen: Es waren nicht die mit dem höchsten Intelligenzquotienten oder den besten Schulnoten, sondern die mit den besten Werten im Bereich Durchhaltevermögen.«
Tanz auf der Bühne
Mindestens ebenso faszinierend wie Seligmans Vortrag ist die tänzerische Darbietung, die er und die Simultanübersetzerin zum Besten geben. Denn nicht nur Seligman läuft auf der Bühne auf und ab; auch die Übersetzerin glaubt aus unerfindlichen Gründen, sie wäre nur zu hören, wenn sie unmittelbar neben dem Professor steht und ihm auf Schritt und Tritt folgt. Harte Manndeckung würde man das beim Fußball nennen. Bei einem Vortrag war mir ein solches Schauspiel noch nie vergönnt. Seligman wandert von links nach rechts, von seinem Stehpult zum Bühnenrand – und die Übersetzerin flitzt hinterher, stößt manchmal beinahe mit ihm zusammen, wenn Seligman sich spontan für eine andere Richtung entscheidet, und kommt vor lauter Kreuz und Quer im Lauf des zweistündigen Vortrags sogar ein wenig außer Atem.
Auch Seligman verwendet mehr als genug Zeit darauf, ausführlich darzulegen, welche großen Firmen er berät und welche wichtigen internationalen Institutionen ihn bereits um Rat gefragt haben. Praktische Ratschläge für mein Glücksexperiment bekomme ich kaum zu hören – aber das ist nicht schlimm, mein Anliegen ist ja auch ein eher spezielles.
Einen konkreten Ratschlag hat er jedoch. Im Laufe seiner jahrelangen Forschung und seiner Studien an Tausenden von Studenten, Konzernmitarbeitern und Nachwuchsführungskräften hat er herausgefunden, dass »eines der einfachsten und wirkungsvollsten Mittel, seine Lebenszufriedenheit dauerhaft zu steigern, eine Art Tagebuch der Dankbarkeit ist«. Jeden Abend, so sein Ratschlag, solle man drei Dinge aufschreiben, die an diesem Tag gut gelaufen sind. Dinge, die einen glücklich gemacht haben und für die man dankbar ist. »Das sollte nicht länger als fünf Minuten in Anspruch nehmen«, sagt er. »Aber Sie werden merken, dass Sie sich schon nach zwei Wochen glücklicher fühlen.«
Ich hatte schon mehrfach von diesem Ansatz gelesen. Manche Ratgeber nennen ihn »Dankbarkeitstagebuch«, andere sprechen davon, seine »Segnungen« (im Englischen: blessings) zu zählen. Ausprobiert habe ich es bisher nicht. Dabei leuchtet das Konzept absolut ein: Sich am Ende des Tages auf die positiven Dinge in seinem Leben zu konzentrieren, statt über die kleinen Widrigkeiten und Ärgernisse nachzugrübeln, sorgt sicherlich nicht nur für einen besseren Schlaf, sondern auch für eine generell zufriedenere Einstellung gegenüber dem eigenen Leben. Gleich morgen, nehme ich mir vor, kaufe ich mir ein kleines Notizbuch und beginne mit dem Dankbarkeitstagebuch!
Vor der abschließenden Podiumsdiskussion wird darauf hingewiesen, Martin Seligman würde am folgenden Tag gerne ein paar Studentinnen im kleinen Kreis treffen. Zuerst denke ich mir: »Hey, welcher Mann in seinem Alter würde das nicht? Doch mutig, das so offen auf der Bühne auszusprechen.« Bis es mir wenige Momente später dämmert: Es handelte sich nicht um ein zweideutiges Angebot. Natürlich waren »StudentInnen« gemeint, also die politisch korrekte und geschlechtlich neutrale Form. Nur dass das große i eben nicht durch ein Mikrofon passt.
Rennauto-Karaoke
Zurück in Berlin. Ich weiß nicht, wie oft ich inzwischen schon an dem Zettel vorbeigelaufen bin, der in meinem Viertel an mindestens jeder dritten Ampel hängt: »Sing ein Lied – sei glücklich!«, steht darauf. Genau solche Glücksversprechen zu testen, ist doch der Grundgedanke meines Experiments. Trotzdem habe ich es geschafft, den kleinen orangefarbenen Abschnitt mit der Telefonnummer, den ich schon mehrfach abgerissen habe, immer wieder zu verlieren. Manchmal glaube ich, mir fehlt einfach der Grit, den Seligman beschrieben hat. In manchen Dingen habe ich etwa so viel Durchhaltevermögen wie ein Stück Butter auf einem heißen Toast.
Damit ich gar
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