Sternhagelgluecklich
der Vorträge direkt auf CD oder DVD gebrannt. Am Ende des Tages kann man ein Set mitnehmen, um zu Hause noch mal alles nachzuhören, anzusehen – oder einfach im Regal zu archivieren. Der Preis hat es in sich: hundert Euro für die Videoversion – und das bei Materialkosten von vermutlich rund drei Euro für Rohling und Plastikhülle. Das Glück, so scheint es, muss man sich eben manchmal auch etwas kosten lassen.
Die Glücksindustrie
Der Nachmittag gehört gänzlich einem der größten Player der Glücksindustrie: Martin Seligman, dem Begründer der Positiven Psychologie. Europa, so setzt er an, sei durch die Denkschulen von Freud, Marx, Darwin & Co. zu sehr auf die Vergangenheit, auf negative Emotionen und Ereignisse, kurz: auf Probleme konzentriert. Ziel der von ihm mitentwickelten Positiven Psychologie sei es jedoch, stärker in die Zukunft und auf die guten Dinge und Gefühle zu schauen. »Es darf in der Psychologie nicht nur darum gehen, Schlechtes zu reparieren – mindestens ebenso wichtig ist es, Gutes zu fördern«, sagt Seligman, der einen freundlichen Eindruck macht und dessen Hemd sich über einen gemütlichen Bauch spannt.
Sich auf das Positive zu konzentrieren, so Seligman, gehe sogar so weit, dass man darauf achten sollte, in seinen Unterhaltungen erheblich mehr positive als negative Begriffe zu verwenden. Laut einer Studie von Barbara Fredrickson und Marcial Losada aus dem Jahr 2006 könne man beispielsweise allein anhand des Verhältnisses positiver zu negativen Begriffen in Firmenmeetings ablesen, wie es um die Firma bestellt sei. Kamen bei den erfolgreichen Firmen, deren Meetings ausgewertet wurden, auf mindestens 2,9 positive Wörter ein negatives, so war bei schlechter laufenden Firmen das Verhältnis etwa eins zu eins. Ähnliches förderte eine Studie des Psychologen John Gottman zutage, der unzähligen Paaren beim Diskutieren und Streiten zuhörte. Glückliche Paare, so sein Ergebnis, haben ein Verhältnis von fünf positiven Begriffen zu einem negativen in ihren Unterhaltungen. Schon ein Verhältnis von langfristig weniger als fünf zu eins signalisiere laut Gottman Probleme in der Beziehung. Bei Paaren kurz vor der Scheidung sei das Verhältnis aus positiven und negativen Begriffen etwa ausgewogen.
Einerseits deckt sich vieles davon mit meinen eigenen Erfahrungen: Menschen, die ständig nur darüber reden, wie schlecht alles ist und wie schrecklich diese oder jene Person, ziehen mich irgendwann so runter, dass ich keine Lust mehr habe, Zeit mit ihnen zu verbringen – und ziehe mich schließlich zurück, wodurch ich ihnen einen weiteren Grund gebe zu nörgeln und zu meckern. Positiv gestimmte Menschen wiederum wirken mit ihrer Art ansteckend: Selbst wenn man selbst vielleicht vor dem Treffen schlechte Laune hatte und Probleme wälzte, geht man danach positiv gestimmt nach Hause.
Trotzdem ist die Beobachtung aus den Firmenmeetings, von der Seligman berichtet, nicht so wahnsinnig überraschend: Ist es zum Beispiel nicht logisch, dass in Meetings einer erfolglosen Firma auch mehr negativ besetzte Wörter fallen? Wer kurz vor dem Konkurs steht, muss zwangsläufig über unerfreuliche Themen reden – ebenso ist es nicht sehr überraschend, dass in einer Ehe, die vielleicht aus einem ganz konkreten Grund gescheitert ist, eher negative Begriffe fallen. Eine wirkliche Kausalität, das sagt auch Seligman, besteht nicht – aber ohne eine solche Kausalität ist auch der Ratschlag, darauf zu achten, viele positive Begriffe zu verwenden, relativ sinnlos.
Doch Seligman hat noch andere Theorien im Gepäck. Eine, die ich bemerkenswert finde, hat mit Durchhaltevermögen zu tun. Glück, so Seligman, basiere neben der Konzentration auf das Positive, neben Flow-Erlebnissen und neben stabilen Beziehungen zu anderen Menschen auch auf dem Gefühl, etwas zu schaffen. Dieses »Accomplishment«, so der englische Begriff, meint dabei nicht unbedingt beruflichen Erfolg, sondern allgemein das Erreichen von Zielen, die einem wichtig sind. Ob jemand solche Aufgaben bewältige und seine selbst gesteckten Ziele erreiche, so Seligman, hänge jedoch weit weniger von Faktoren wie Talent oder Intelligenz ab, als wir bisher annahmen. Eine viel wichtigere Eigenschaft, wenn es darum geht, solche Leistungen vorherzusagen, sei »Grit« – zu Deutsch so viel wie Mumm, Durchhaltevermögen, vielleicht auch Biss.
»Viel Grit haben heißt: nicht so schnell aufgeben«, erklärt Seligman. »Und Grit ist ungefähr doppelt so
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