Sternhagelgluecklich
aus La Paz: »Wir hatten die erste Schaukel gerade aufgehängt, als eine Mutter mit ihrem Kind vorbeikam. Wir erklärten ihr in unserem rudimentären Spanisch unsere Idee, und sie schickte ihr Kind rüber. Drew hob den Kleinen auf das Brett – sie essen offenbar ganz gut und gerne hier –, und der Junge schaukelte eine Weile begeistert vor sich hin.« Ein paar Tage später schildern sie ein ähnliches Erlebnis: In einem maroden Park installieren sie eine Schaukel und sehen, als sie sich wieder auf den Weg machen, wie zwei kleine Jungs aus einem Stein und einem Rucksack eine kleine Rampe bauen, um auf die Schaukel klettern zu können.
An manchen Orten, an denen kein geeigneter Ast oder keine andere Möglichkeit vorhanden ist, bauen sie sogar eigens Schaukelgerüste. Es ist jedoch schwieriger als gedacht, geeignete Seile und Bretter für die Schaukeln zu finden – die Reise scheint zu einem großen Teil aus der Suche nach Material zu bestehen.
Von der Hauptstadt La Paz über die Salzwüste von Uyuni 44 bis zum Amazonas hängen sie Hunderte von Schaukeln an öffentlichen Plätzen auf, manchmal auch auf Wunsch einzelner Eltern in Privatgärten. Dreißig Tage sind sie insgesamt unterwegs, achtundzwanzig davon mit Bohrer, Brettern und Seilen.
Als sie sich wieder auf den Heimweg machen und ich mir die zahlreichen Fotos ansehe, die sie im Internet bereitgestellt haben, beschließe ich, dass es an der Zeit ist für meine erste eigene Schaukel. Da mein schreinerisches Geschick sich in Grenzen hält, bestelle ich drei bei einem Spielzeughändler – es ist gar nicht so einfach, Schaukeln zu finden, die auch einen Erwachsenen von mehr als sechzig Kilogramm Gewicht aushalten. Aber es sollen eben auch nicht nur Kinder in den Genuss der sekundenkurzen Schwerelosigkeit kommen.
Ziehen in der Magengrube
Die erste Station auf der Suche nach einem geeigneten Ort, um die Schaukeln aufzuhängen, ist der nahe gelegene Mauerpark. Doch die wenigen Bäume hier sind nicht groß genug, um einigermaßen waagrechte und vor allen Dingen tragkräftige Äste zu bieten. Allerdings sind oben auf einem steilen Berg, der sich im Winter hervorragend zum Schlittenfahren eignet, bereits einige Schaukeln fest an einem Gestell installiert.
Erst schubse ich Jessica an, dann umgekehrt. So können wir uns persönlich von der positiven Wirkung des Schaukelns überzeugen. Es macht wirklich innerhalb von wenigen Sekunden gute Laune: die Erinnerung, wie es geht, Schwung zu holen und langsam höher und höher zu schwingen. Der Moment, in dem man am höchsten Punkt kurz in der Luft steht, ein leichtes Ziehen im Magen spürt, und dann geht es wieder nach unten. Der Fahrtwind – oder muss man Schaukelwind sagen? –, der einem durchs Haar fährt. Ein großartiges Gefühl – vor allem oben auf dem Berg mit einem weiten Ausblick über die Stadt.
Erst im nächsten Park haben wir in Sachen Bäume mehr Glück: Eine Birke hat einen nahezu perfekt waagrechten Ast, er scheint auch ausreichend stabil. Unter dem Baum nebenan liegt ein etwa dreißigjähriger Mann, der sein Buch senkt und uns ein wenig genervt ansieht. Scheinbar stören wie ihn in seiner Ruhe mit unserem Gerede, wie man so eine Schaukel am besten aufhängt. Wir dämpfen unsere Stimmen ein wenig, lassen uns aber ansonsten nicht von unserem Plan abhalten.
Wenig später geht es uns ähnlich wie den Schaukelaufhängern in Bolivien: Wir haben die letzten Knoten noch nicht gemacht, da steht schon eine Gruppe Kinder um uns herum.
»Was machen Sie daaa?«, krähen die Älteren, während sich die Kleinen schüchtern im Hintergrund halten. Dann klettert Bilal, ein besonders mutiger Junge, an dem Seil hinauf, obwohl das Schaukelbrett daran noch gar nicht befestigt ist.
Als die Schaukel schließlich fertig installiert ist, gibt es ein kurzes Gerangel, wer zuerst drauf darf: »Ich bin der Älteste!« – »Mädchen zuerst!« – »Ich hab geholfen!«, lauten die Argumente.
Am Ende kommt jeder dran. Shirin, eines der älteren Mädchen, hebt seine beiden kleinen Schwestern nebeneinander auf die Schaukel und schiebt sie vorsichtig an, bis die beiden vor Glück juchzen.
»Was machen Sie mit den anderen Schaukeln?«, fragt Shirin, während ihre kleinen Schwestern sich bemühen, nicht von dem Brett zu plumpsen, das sie sich teilen müssen. Wir erzählen ihr, dass wir sie in anderen Parks aufhängen wollen, zum Beispiel im Humboldthain, der nur ein paar Straßen weiter liegt. »Da wohnen wir ganz in der Nähe«, sagt
Weitere Kostenlose Bücher