Sternhagelgluecklich
beispielsweise (an den man sich entgegen anderslautender Gerüchte niemals ganz gewöhnt) und langes Pendeln zum Arbeitsplatz. Oder – im Großen – Machtlosigkeit: das Wissen oder manchmal sogar schon allein das Gefühl, nicht über das eigene Leben bestimmen zu können.
Am Ende dürfen wir endlich selber an den Regler ran und das Normalniveau unseres Glücksthermostats einstellen. Es gibt kritische Stimmen, die sagen, dass es keinerlei Effekt hat, wenn wir an diesem Regler drehen. Ich glaube das nicht. Wir können ihn vielleicht nicht mit einem Handgriff von »Eiszeit« auf »Sahara« stellen, aber er funktioniert dennoch deutlich besser als die abgeklemmten Tür-schließen-Knöpfe in vielen Aufzügen. Zum einen, weil wir zumindest manche der äußeren Faktoren – die in Schritt zwei an unserem Regler drehen – beeinflussen können. Wir können uns einen Job suchen, der etwas weniger Geld einbringt (kaum Glücksverlust), aber dafür nicht erfordert, dass wir jeden Tag drei Stunden im Berufsverkehr stecken (großer Glücksgewinn). Wir können aber tatsächlich auch – und damit habe ich mich im vergangenen Jahr hauptsächlich herumgeschlagen – uns selbst verändern, um die Grundtemperatur des Thermostats in etwas glücklichere Bereiche zu bringen. Wir können uns Dinge angewöhnen oder abgewöhnen. Wir können jeden Tag Dinge anders machen oder unsere Umgebung bewusst anders wahrnehmen. Wir entscheiden jeden Tag aufs Neue selbst, wie wir leben.
Ich habe ein Jahr lang alles Mögliche ausprobiert, um dem Glück näher zu kommen. Große Dinge und kleine Dinge, ernsthaftere und unsinnigere, einfachere und kompliziertere. Welche davon funktionieren am Ende?
Es ist eine Floskel, aber sie ist wahr: Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Aus meiner Erfahrung kann ich jedoch zum Beispiel berichten, dass die Ehe und ein Garten sehr gute Wege zum Glück sind. Auch ein kleines Buch der Dankbarkeit, in das man jeden Abend hineinschreibt, was einen glücklich gemacht hat, funktioniert ausgezeichnet. Morgendliche Meditation oder Lachyoga hingegen haben bei mir kaum angeschlagen – was nicht bedeutet, dass sie das bei niemandem tun.
Ich habe bei meinem Selbstversuch zahlreiche Dinge ausprobiert, die es nicht in dieses Buch geschafft haben – nicht einmal in die Listen von Glücksmomenten zwischen den Kapiteln. Trotzdem habe ich auch durch sie viel gelernt. Tanzstunden machen glücklich. Weniger Fleisch zu essen, macht glücklich. Sich ein Lied ausdenken, während man es singt, macht glücklich. Einen Halbmarathon zu laufen, macht glücklich. Den Adventskranz selbst zu basteln, macht glücklich.
Zu meinem Psychopharmaka-Experiment ein Fazit zu finden, fällt mir schwer. Ohne wirkliche Indikation sollte niemand diese Medikamente nehmen – für Menschen mit einer echten Depression können sie im Zusammenspiel mit einer Psychotherapie jedoch ein sehr guter Weg sein, um die Krankheit zu überwinden. 51
Vollkommen uneingeschränkt kann ich jedoch eine ehrenamtliche Tätigkeit empfehlen, um die eigene Lebenszufriedenheit zu steigern. Wer sich ein Engagement aussucht, bei dem er sich wohlfühlt – ob das nun Gewässerschutz, alte Menschen oder Migrantenkinder sind –, verbessert durch seinen Einsatz nicht nur das Leben anderer, sondern auch ganz massiv und nachhaltig sein eigenes. Und wenn es mal richtig hart kommt und gar nichts mehr zu helfen scheint: Ein Hopserlauf zum Supermarkt kann ebenfalls Wunder wirken.
Eine egozentrische Suche?
Trotzdem: Wenn ich beispielsweise über Herrn Regners Lebensgeschichte nachdenke – über die Weltkriege, die er erlebt hat, die Gefangenschaft, seine Einsamkeit im Alter –, erscheint mir meine Suche nach dem Glück plötzlich klein und trivial. Nicht nur für ihn, für den allergrößten Teil der Welt in beinahe der gesamten Menschheitsgeschichte war Glück nichts, wonach man suchte. Was man analysierte oder wonach man strebte. Das Leben war ein zugewiesenes Schicksal, mit dem man sich abzufinden und in dessen vorgegebenen Rahmen man sich zu bewegen hatte. Solange der Mensch damit beschäftigt war, jeden Tag aufs Neue nach Nahrung zu suchen oder feindlichen Streitäxten oder Gewehrkugeln auszuweichen, war für Gedanken über das Glück wenig Zeit.
Nun kann man sich dafür schämen, in einer Zeit und in einem Land ohne Krieg und massive Not zu leben – oder man kann sich darüber freuen. Ich tendiere zu Letzterem – versuche aber, es nicht als Selbstverständlichkeit zu
Weitere Kostenlose Bücher