Sternhagelverliebt
schon.«
»Vielleicht sehe ich dich ja irgendwann mal im Park …«
»Klar.«
Er sieht mir in die Augen und blickt mich eindringlich an. Wir warten beide darauf, dass der andere etwas sagt (Ruf mich an? Bleib? Ich werde dich vermissen? Danke?), doch keiner von uns traut sich, das Schweigen zu brechen.
»Pass auf dich auf, Kate, Katie, wie auch immer«, meint er schließlich.
»Danke, Henry.«
»Aber sicher.«
Ein letztes Mal drückt er meine Schulter und geht dann. Ich sehe ihm hinterher, doch wie bei meiner Schwester weiß ich nicht, was ich sagen soll, um ihn zurückzuhalten. Und ich weiß nicht, ob es überhaupt das ist, was ich möchte.
Hastig wische ich mir die Tränen aus den Augen und folge Amber hinaus. Wir steigen in einen schwarzen Geländewagen, während der Fahrer unser Gepäck im Kofferraum verstaut.
Auf der langen Fahrt reden wir wenig miteinander und hängen beide unseren Gedanken nach. Als wir in die Stadt kommen, sieht alles anders aus als bei meinem Abschied vor einem Monat; es ist wie in den Filmen, in denen eine Kamera die Jahreszeiten im Zeitraffer aufnimmt. Damals bekamen die Bäume gerade die ersten Knospen; jetzt stehen sie in voller Blüte. Die Leute auf den Straßen sind nicht mehr dick vermummt. Der Winter ist nur noch eine schwache Erinnerung.
»Hey, Katie«, ruft Amber mir aus dem offenen Schiebedach zu, als ich kurz darauf die Eingangstreppe zu unserem Apartmenthaus hinaufgehe.
Ich drehe mich zu ihr um. Nur ihr Kopf ist über dem Dach des Wagens sichtbar. Ihre langen schwarzen Haare wirbeln um sie herum. Ein paar Fußgänger bleiben stehen, um zu schauen.
»Ja?«
»Danke.«
»Wofür?«
»Du weißt schon … für alles.«
Einer der Fußgänger auf der anderen Straßenseite holt sein Handy hervor und macht Fotos.
»Vergiss es. Und übrigens: Willkommen bei
Versteckte Kamera.
« Mit einem Kopfnicken deute ich auf den Typen, der immer noch Fotos schießt.
Sie wendet sich um und wirft ihm ihr umwerfendes Lächeln zu. »Hast du deine Aufnahme, Süßer?«
Der Fußgänger ist aufgeregt. »Tut mir leid.«
»Mach dir keine Gedanken. Handele einfach einen guten Preis aus, ja? › DM V N kehrt aus der Entzugsklinik zurück‹ sollte einiges wert sein.«
Er sieht aus, als wüsste er nicht genau, was er mit dieser Information anfangen soll. »Okay.«
Sie dreht sich wieder zu mir um und lacht. »Ich ruf dich später an.«
Ihr Kopf verschwindet durch das Dach. Der Geländewagen fährt an und fädelt sich in den Verkehr ein.
Tja, das war’s.
Ich schleppe meinen Koffer die Treppe hoch in die Wohnung.
»Joanne?« Meine Stimme hallt von den Wänden wider, und ich weiß, dass niemand zu Hause ist.
Ich ziehe den Koffer hinter mir her in mein Zimmer und gehe dann in die Küche, um nachzuschauen, was im Kühlschrank ist. Er ist halb leer, und auf den wenigen Lebensmitteln steht mit wasserfestem schwarzem Stift
Joanne.
Nicht, dass sie diese Angewohnheit abgelegt hätte, während ich weg war.
Ich genehmige mir etwas von ihrem übrig gebliebenen Rindfleisch in Thaibasilikumsoße, das ich kalt aus der Verpackung esse. Gott, schmeckt das gut. 30 Tage ohne thailändisches Essen – wie habe ich das nur ausgehalten?
Über die Spüle in unserer winzigen Küche gebeugt, blicke ich aus dem kleinen Fenster auf die gegenüberliegende Steinmauer, während ich alles aufesse. Wenn ich den Job bei
The Line
bekomme, kann ich mir vielleicht endlich eine bessere Wohnung ohne Mitbewohnerin leisten.
Ich denke, ich sollte Bob anrufen und ihm Bescheid sagen, dass ich zurück bin. Vielleicht schicke ich ihm auch nur eine E-Mail. Ich bin sicher, dass es Wichtigeres für ihn gibt, als sich Gedanken über mich zu machen. Ja, ich werde ihm eine Mail schicken. Das reicht.
Warum willst du ihn nicht anrufen?
Bist du immer noch da?
Wo sollte ich denn hin?
Ich dachte, ich hätte dich vielleicht dortgelassen.
Pech gehabt.
Scheiße.
Also, warum willst du ihn nicht anrufen?
Weil ich müde bin, und ich habe gerade keine Lust dazu, mich damit auseinanderzusetzen.
Dich womit auseinanderzusetzen?
Du weißt schon.
Was?
Du
weißt
schon. Mit dem Grund, warum ich in der Entzugsklinik war. Mit dem Artikel.
Du willst den Artikel nicht schreiben?
Im Augenblick nicht, nein.
Warum nicht?
Ach, lass mich einfach in Ruhe.
Ich werfe die leere Verpackung in den Müll und achte darauf, dass ich sie ein bisschen verstecke, damit Joanne sie nicht gleich bemerkt. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, um mich auf die
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