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Sternhagelverliebt

Sternhagelverliebt

Titel: Sternhagelverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine McKenzie
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hervorschauen. »Wenn es nicht im Bücherregal steht, sollst du es nicht lesen.«
    »Warum nicht?«
    »Wer soll das verflucht noch mal wissen?« Sie nimmt mir das Buch aus der Hand. »Also, Shakespeare, ja? Schwerer Stoff.«
    »Eigentlich ist es ganz gut.«
    »Ja, er wusste, wie man schreibt.« Sie strafft die Schultern. »›Welch ein Meisterstück ist ein Mann! Wie edel von Verstand! Wie unerschöpflich in seinen Fähigkeiten! In Gestalt und Bewegung wie angemessen und bewundernswert! Im Handeln wie engelgleich! Im Wahrnehmen wie gleich einem Gott! Die Zier der Welt! Die Vollendung der beseelten Kreatur!‹ Bekommst du dabei nicht auch eine Gänsehaut?«
    Wow. Sie kann also mehr, als nur zu quaken. Sie hat Shakespeare zitiert.
    »Kennst du das ganze Dinge auswendig, oder ist das nur ein Partytrick?«
    Sie wirft mir einen koketten Blick zu. »Das würdest du wohl gern wissen, oder?«
    Tja, ja. Was denn sonst?
    »Die Dame beteuert zu viel, scheint mir«, sage ich.
    Sie lacht. »Sieht so aus, als hättest du selbst ein paar Partytricks auf Lager.«
    »Nö, das habe ich mir grad einfach aus dem Hintern gezogen.«
    »Nettes Bild.«
    »Tut mir leid. Manchmal drücke ich mich etwas direkt aus.«
    Sie deutet mit einer ausholenden Handbewegung auf den Raum. »Wir sind hier beim Entzug. ›Direkt‹ ist hier normaler Umgangston.«
    Wenn sie gerade versucht, mich zu beeindrucken, ist ihr das gelungen.
    »Verstanden.«
    Sie gibt mir das Buch zurück. »Viel Spaß. Vielleicht leihe ich es mir mal aus, wenn du damit fertig bist.«
    »Klar.«
    »Du bist Katie, stimmt’s?«
    »Ja. Und du bist Amber.«
    »Das bin ich. Was machst du noch mal?«
    »Ich schreibe.«
    »Romane?«
    »Eher für Magazine.«
    Mit einem Mal wirkt sie angespannt. Scheiße.
    »Ich schreibe über Musik.«
    Sie entspannt sich wieder. »Oh. Für das
Rolling Stone
-Magazin?«
    »Das wäre ein Traum. Ich schreibe Reviews für einige Wochenzeitungen.«
    »Cool.«
    Sie blickt sich um, und ich bemerke, dass sie allmählich das Interesse verliert.
    Sag etwas Spannendes, Katie. Schnell.
    »Liest du denn viel?«
    Okay. Das war es wohl nicht.
    Sie richtet ihre großen grünen Augen wieder auf mich. »Glaubst du, dass ich nur Party machen kann?«
    Ups. Das war eindeutig nicht der richtige Kommentar.
    »Tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint.«
    »Schon okay. Du hast vermutlich auch all die Berichte im Fernsehen gesehen, oder?«
    Ich bin mir nicht sicher, was ich am besten darauf antworten sollte.
    »Ein paar.«
    Sie lächelt. »Bestimmt hast du genug gesehen. Doch es selbst zu erleben ist ganz anders, als das, was man im Fernsehen mitverfolgen konnte. Oder … ich weiß nicht … vielleicht ist es das auch nicht. Ich sage ja nicht, dass die Dinge nicht außer Kontrolle geraten wären. Aber es war nicht so schlimm, wie es aussah.«
    Klar. Ich bin mir sicher, dass du zum allerersten Mal Crack geraucht hast. Pech nur, dass es gefilmt wurde.
    Ich spiele mit. »Ich weiß, was du meinst. Heute in der Therapie hat Saundra mich über meine Kindheit ausgefragt, und dann hat sie alles auseinandergenommen, bis ich mich gefühlt habe, als hätte ich eine verkorkste Kindheit gehabt wie in diesen schrecklichen
pädagogisch wertvollen
Filmen, die dir in der Schule immer gezeigt werden, um dich vor irgendetwas zu warnen.«
    »Ich habe mal in so einem Film mitgespielt.«
    »In welchem?«
    Sie wird rot. »In dem es um Inzest ging …«
    »Du warst das?«
    Sie zieht die Schultern hoch, und ich kann einen Blick auf die Sechsjährige aus der Sendung erhaschen. Sie spricht mit atemloser Stimme. »Ich mag es nicht, wenn mein Daddy mich anfasst.«
    »Das ist es. Ja, genau das ist es!«
    »Warum erinnern sich die Leute immer an das Schlechteste, was man je gemacht hat?«
    »Weil die negativen Dinge viel interessanter sind.«
    »Stimmt. Eigentlich müsste ich das inzwischen wissen.« Sie schwingt die Beine vom Sitz und steht auf. »Wie auch immer … Ich sollte dich jetzt in Ruhe weiterlesen lassen.«
    »Okay. War nett, mit dir zu reden.«
    »Ja. Mit dir auch. Weißt du … Du bist vielleicht der erste normale Mensch, den ich hier kennenlerne.«
    Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich sollte nicht normal sein. Ich sollte
kaputt
sein.
    »Danke.«
    »Wir sehen uns.«
    Ich sehe ihr hinterher, und wieder fällt mir auf, wie dünn sie ist. Als ich mir sicher bin, dass sie weg ist, nehme ich den Stift vom Tisch und mache mir Notizen auf die leeren Seiten am Ende von
Hamlet,
um das Wesentliche

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